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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Art! Hier trafen sich Spione; man konnte Waffen und Dokumente kaufen und sich Informationen beschaffen, von denen man nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierten.
    Zum Beispiel die wahre Reiseroute von George T.
    Mullock.
    Ein Schauer ging über Ross und Reiter nieder, durchsetzt von eisigem Graupel. Das Pferd schnaubte und schüttelte den Kopf. Kumar sah auf. Er hatte den Manasarovar erreicht. Tief hängende Wolken zogen über ihn hinweg und ließen Regenschleier ab, hinter denen sich die Weite des Sees verbarg, das jenseitige Ufer und – der Berg!
    Kumar hielt an und warf einen langen Blick auf die Stelle, an der man bei klarem Himmel zwischen vorgelagerten Bergen das Heiligtum sehen konnte, weiß und seltsam unirdisch. Strahlendes Schneejuwel bedeutete sein Name.
    Kailash.
    Buddhas gepriesener Berg Meru.
    Der einsame Reiter nickte versonnen. Es war Unrecht, was dieser Texaner vorhatte! Millionen Menschen hatten weltweit protestiert. Doch selbst die Bitte des Dalai Lama hatte Mullock nicht beeindruckt, und damit war jedes friedliche Mittel ausgeschöpft. Kumar rückte seine Waffe zurecht. Dabei streifte er die Provianttasche, die Raj ihm mitgegeben hatte. Kumar war nicht wirklich hungrig, aber er dachte sich, dass eine Stärkung auf dem Ritt durch Nässe und Kälte nicht schaden konnte. So tastete er nach dem Yakfleisch, während er mit der anderen Hand das Pferd auf einen Parallelkurs zum heiligen Pfad lenkte.
    In der Ferne war ein markanter Hügel zu sehen, auf dessen Kuppe Shinghana thronte – das große, geheimnisumwitterte Kloster. Es war für tibetische Verhältnisse reich geschmückt, hatte schindelgedeckte Türme und zahlreiche Mauerbögen, auf denen goldene Statuen prangten. Hirschkühe zumeist. Die dortigen Mönche gehörten einer hinduistischen Sekte an und lebten sehr zurückgezogen hinter ihren verschlossenen Toren. Es war ein guter Ort, um jemanden kurzfristig zu verstecken.
    Vorausgesetzt, man hatte kein Problem damit, sich über Eigentumsrechte oder Hausregeln hinweg zu setzen.
    Urplötzlich stolperte das Pferd beim Durchtraben einer Pfütze, und Kumar brauchte beide Hände an den Zügeln.
    Bedauern huschte über sein Gesicht, als er das schon halb zum Mund geführte Yakfleisch fallen ließ. Ein Hinterhuf des Pferdes trat es in den Boden.
    Von der Uferseite konnte man den Klostereingang nicht sehen, deshalb schwenkte Kumar nach Westen und ritt ein Stück in die Ebene hinein. Dann entdeckte er die drei Geländewagen unterhalb des Hügels.
    Mullock war noch da!
    Hastig zog Kumar das Pferd herum und ließ es angaloppieren. Die abziehenden Wolken zerfransten sich allmählich; hier und da stach die Mittagssonne durch und brachte das Pfützenheer zum Gleißen. Auch der scharfe Wind hatte nachgelassen. Es war kein ideales Flugwetter, aber für den Militärhubschrauber, der Mullock zum Kailash bringen sollte, reichte es aus. Kumar nickte. Vermutlich hatten sie die Maschine längst angefordert, und er musste jeden Moment damit rechnen, dass sie irgendwo in Sicht kam.
    Er hatte keinen Spaß an der Jagd, der Mann mit den ungewöhnlichen Augen – und trotzdem spürte er ein Kribbeln im Bauch, als sein Pferd unter ihm mit wehender Mähne durch die Pfützen preschte. Es lief gegen einen unsichtbaren Konkurrenten an, von dem man nicht wusste, wo er sich befand.
    Kumar merkte, wie seine Anspannung wuchs, je näher er dem Kloster kam. Er wollte etwas tun, doch er konnte nur im Sattel sitzen und sich tragen lassen. Das machte ihn nervös. Ohne Shinghana aus den Augen zu lassen, griff er nach hinten. Kumar ertastete in Rajs Provianttasche drei weitere Streifen Dörrfleisch und zog sie heraus, um sich wenigstens mit Essen beschäftigt zu halten.
    Da hörte er das Geräusch.
    Flap-flap-flap ging es irgendwo in der Ferne. Der Hubschrauber kam! Hastig stopfte sich Kumar das Fleisch in den Mund, einen Streifen nach dem anderen. Dann nahm er die Zügel auf, und sein Pferd erhöhte noch einmal das Tempo.
    Kumars Blicke eilten voraus. Er kannte Shinghana und wusste, dass es dort außer der Treppe noch einen Pfad gab, der an der Wasserseite begann und nach oben führte. Er war älter als das Kloster selbst, von Tieren ausgetreten und schwierig zu meistern. Man brauchte gute Nerven, denn dieser Weg lief am Rand tiefer Felsspalten entlang. Sein Vorteil war die versteckte Lage. Man konnte auf ihm unbemerkt in Stellung gehen.
    Als Kumar den Fuß des Hügels erreichte, kaute er noch immer auf dem Yakfleisch herum. Es

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