165 - Am heiligen Berg
Gung'kwan-Fell an einem der Fenster beiseite und spähte hinaus. Vor dem Tor hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die zusehends größer wurde. Quong Ho schüttelte den Kopf.
»Er ist noch nicht kalt, da weiß es schon die ganze Stadt! Wieso dauert es dann so lange, bis sich höhere Abgaben herumsprechen?« Er verzog das Gesicht. »Und dieses Gejammer! Sie benehmen sich, als wäre einer aus ihrer Familie gestorben. Dabei kannten sie den Himmlischen Hüter nicht mal.«
Ki Ling hob die Schultern. »Er war ein guter Herrscher. Er hat den Handelsweg nach Induu erschlossen und unsere Fischer reich gemacht.«
»Das nennst du gut?« Quong Ho ließ den Fellvorhang los und trat zurück. »Der Lohn für Perlen und Muscheln gehört in die Staatskasse, nicht in schmutzige Fischerhände! Aber das wirst du ja richtig stellen. Und nun komm! Du musst dich auf die Herrscherprobe vorbereiten.«
Ki Ling wurde bleich bei diesen Worten. Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, er zupfte nervös an seinem Haarknoten herum und wisperte unglücklich: »Vielleicht sollten wir die Sache einfach vergessen!«
»Und den Kaiser wiederbeleben?«, fragte Quong Ho mit hochgezogener Braue. »Das dürfte schwierig werden –Vetter! Du hast ihm heute Morgen ein Frühstück serviert, für das es weit und breit kein Gegenmittel gibt. Du könntest natürlich nach Induu reisen, um es zu beschaffen.« Er seufzte. »Aber ich fürchte, Majestät wird verfault sein, ehe du zurückkehrst.«
Eine Tür wurde geöffnet. Quong Ho verstummte, ging ohne Zögern auf die Knie und senkte den Kopf. Ki Ling fiel neben ihm zu Boden und wimmerte. Man konnte seine Angst mit einem Zeichen der Trauer verwechseln, und das taten die Palastbeamten auch. Sie warfen dem Kaiserlichen Essensträger mitleidige Blicke zu, als sie seinen Herrscher auf der Bahre vorbei trugen.
Kaum waren die Männer außer Sicht, da sprang Quong Ho auf und packte den Vetter am Arm. »Los, hoch!«, befahl er. »Der Weg zum See ist weit, und ich muss noch den Bauern holen. Merk dir, Vetter: Du darfst nicht als Erster antreten, aber auch nicht zu viele Kandidaten vorlassen. Wenn er erst satt ist, war alles umsonst!«
Ki Lings Miene war angstverzerrt. »Bist du sicher, dass es funktionieren wird?«
»Aber ja«, sagte Quong Ho ungeduldig. »Wir haben es doch genau geplant. Da geht nichts schief, glaube mir! Du solltest nur nicht vergessen, mir die versprochene Belohnung zu geben, wenn alles vorbei ist.« Er lächelte böse. »Aber das wirst du nicht – jetzt, wo du weißt, wie schnell ein Himmlischer Hüter zur Hölle fahren kann.«
Es war später Nachmittag, als Quong Ho und sein Vetter den See erreichten. Die Herrscherprobe hatte schon begonnen, war aber, wie man es erwarten konnte, bisher erfolglos geblieben. Zahlreiche Schaulustige hatten sich in Ufernähe versammelt. Sie genossen ihr mitgebrachtes Essen, die angenehme Wärme und den Kampf um den Thron.
»Das ist das Erste, was ich abschaffen werde«, sagte Ki Ling mit Blick auf die kauende, schwatzende Menge. Quong Ho lachte lautlos. Er begleitete seinen Vetter zu einem Windfang, der in respektvollem Abstand zum See aufgestellt war. Dort saßen die Kaiserlichen Beobachter, tranken heißes Kräuterwasser und hüteten das Zeichen der Macht, einen aus Holz geschnitzten Drachen. Sie staunten nicht schlecht über den Bewerber, den Quong Ho zur Anmeldung schob.
Es war ein alter, zahnloser Bauer. Er musste sich in Stoffbahnen eingewickelt haben, denn sein Kopf war viel zu klein, als dass die scheinbare Fettleibigkeit echt sein konnte.
Der Mann hatte große Angst. Er brachte kaum seinen Namen heraus, und bis die Anmeldung registriert war, stand er in einer gelben Pfütze. Die Kaiserlichen Beobachter lachten ihn aus und rieten ihm, heimzugehen. Quong Ho fuhr dazwischen.
»Jeder Mann hat das Recht, sich der Herrscherprobe zu stellen, auch dieser Bauer!«, rief er, dass man es bis zum Ufer hören konnte. Neugierige Gesichter wandten sich ihm zu. Die Kaiserlichen Beobachter zogen die Köpfe ein, als Quong Ho in ungeminderter Lautstärke fortfuhr: »Es ist eine Schande, wie herablassend ihr Palastleute einen Bauern behandelt! Wahrscheinlich werdet ihr auch noch diesem Höhergestellten hier den Vortritt geben!« Er wies auf Ki Ling, den die Beobachter kannten. Sie hätten ihn tatsächlich als Ersten auf den Felsen geschickt, doch das ging jetzt natürlich nicht mehr. Es waren zu viele Leute aufmerksam geworden. Also wurde Ki Ling bei Seite
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