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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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auf Aruula sagte: »Ein Dämon! Ja, das wäre möglich ! Sie kam von Shi'gana herunter – ich habe es gesehen, aber mir nichts dabei gedacht!«
    Quong Ho horchte auf. »Hatte sie den Tanzenden Geist passiert?«
    »Nein.« Der Tschinnak schüttelte den Kopf. Er legte seinem Pferd die Zügel über den Hals und schwang sich in den Sattel. »Ich glaube nicht, dass überhaupt jemand an diesem unheimlichen Geist vorbei kommt.«
    Quong Ho musterte Aruula nachdenklich, als er ebenfalls aufgesessen war. Sie benahm sich wie ein Krieger! Sie stand schützend vor dem Jungen, hielt ihre große schwere Waffe lässig in der Hand und erwiderte Quong Hos Blick ohne jede Scheu. Das war befremdlich – und sehr verdächtig!
    Quong Ho beugte sich dem Gefährten zu. »Was will die Frau in Shi'gana? Hatten die dummen Mönche neulich nicht behauptet, da gäbe es nichts zu holen? Das sage ich dir: Der Nächste, der uns über den Weg läuft, wird nicht getötet, sondern gefoltert! Und nun komm, wir holen die anderen! Irgendwas geht da oben vor, und ich will wissen, was es ist.«
    »Aber die anderen sind mindestens einen Tagesritt entfernt!«, protestierte der Tschinnak und rief dem losreitenden Anführer hinterher: »Halt, warte! Sollten wir uns nicht noch um Fu Shang und Li Chi kümmern?«
    »Wozu?« Quong Ho hieb dem Pferd die Absätze in die Seiten. »Sie sind tot.«
    Aruula und Yinjo hatten kein Wort verstanden, und erst recht keine Erklärung dafür, warum diese Männer sie angestarrt hatten, als wären sie Gespenster.
    Niemand, der noch nicht in Cinna gewesen war, konnte sich die Furcht der Chinesen vor dem Übernatürlichen erklären – und kein Fremder wusste, was Angehörige der Leibwache des Himmlischen Hüters in Ti'bai zu suchen hatten. Die Männer standen unter enormem Druck: Sie hatten für ihr blutiges Vorhaben fünf Monate Zeit gehabt, und die Frist lief in wenigen Tagen ab! Wenn sie bis dahin ihr Ziel nicht erreichten, war ein Wettlauf verloren, der sie das Leben kosten würde.
    Begonnen hatte alles in Cinna, an einem Wintermorgen vor drei Jahren, als völlig überraschend – zumindest für die ahnungslose Bevölkerung – der Kaiser starb.
    ***
    Januar 2519
    Vor einem halben Jahrtausend war das Kernland Chinas durch den Aufschlag von »Christopher-Floyd« komplett aus der Karte gestanzt worden. Glück im Unglück hatte eine Ebene am Gelben Meer gehabt. Sie überstand die Katastrophe, wenn auch nur generell.
    Lange Zeit verharrte die Gegend zwischen nord- und südchinesischem Bergland in nuklearem Winter. Erdbeben erschütterten das Land, die Küsten brachen, der verstrahlte Boden gebar kein Leben mehr. Immer wieder erwachte im Laufe der folgenden Jahrhunderte ein Vulkan. Seine Auswürfe erstarrten zu bizarren Landschaften; er hinterließ ein Heer aus fauchenden Geysiren und einen Lavasee.
    Irgendwann kamen ein paar Tsunamis übers Meer gefegt.
    Auch sie suchten die Ebene heim – aber sie brachten etwas mit: Als die donnernden, schäumenden Wellen verschwanden, blieb ein Teppich aus toten Fischen, Algen und Schlamm zurück. Er verfaulte, und er ließ im allmählich zunehmenden Sonnenlicht neue Halme sprießen.
    Bis 2519 war das Land wieder grün und bewohnt. Es gab viel Wasser in der Gegend; ein ganzes Netz kleiner Flüsse, das aus dem zersprengten Jiangtsekiang entstanden war und die riesigen Felder feucht genug hielt, dass man Liitsa genannten Reis anbauen konnte. Als Lastentier – aber auch zum Verzehr – wurde der Gung'kwan gezüchtet, ein Fleischklops, der entfernt an Wasserbüffel erinnerte.
    Gewohnt wurde bevorzugt in Shen Chi ( chin.: »Bringer des himmlischen Odems« ), der neuen Metropole. Sie stand am schilfbewachsenen Ufer des Yang-Yang, auf den Trümmern von Nanking. Dort hatte eine ganze Reihe alter Gebäudefronten der Zeit atomarer Explosionen und Erdbeben getrotzt. Schwarz verwittert ragten sie überall auf, mit klaffenden Durchgängen, weshalb Shen Chi auch die Stadt der Hundert Tore genannt wurde.
    Anführer der Chinesen war der Himmlische Hüter. Er residierte im früheren Waisenhaus von Nanking, das aus unerklärlichen Gründen erhalten geblieben war und das Heer der einfachen Hütten wie ein Palast überragte. Hinter seinen Mauern gab es viele Gemächer – und in einem davon hatte man soeben den Himmlischen Hüter gefunden.
    »Ist er tot?«, fragte Ki Ling, der Kaiserliche Essensträger.
    Aufgeregte Palastbeamte rannten an ihm vorbei. Sein Vetter nickte.
    »Tot wie ein Stein.« Quong Ho schob das

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