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165 - Am heiligen Berg

165 - Am heiligen Berg

Titel: 165 - Am heiligen Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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zwergenhafte Narod'kratow, die einen Wunderstein namens Koole gegen Flussgold tauschten, und dunkelhäutige Steppennomaden mit schön gearbeiteten Waffen. Es gab Birmesen, die so zierlich und reich geschmückt waren wie die Frauen, die sie feilhielten. Aus Ne'pa brachten sie Wolle und Decken und aus Induu bunte Gewürze. Dies alles wurde eingetauscht gegen Reis, Opium, Perlen und Gold aus dem Fluss.
    Quong Ho hing seinen Gedanken nach, während er das Pferd durchs Gedränge trieb. Ungeduldig scheuchte er ein paar Kinder fort, die plötzlich neben ihm her liefen. Sie mussten ihn für einen Fremden halten, denn sie boten ihm eine Führung zum Lavasee an. Mit Besichtigung des Drachen! Ganz günstig! Für eine Kleinigkeit zu essen, bitte sehr!
    »Wer sind die denn?«, hörte er Tao fragen und sah auf.
    Zwei schwarz gekleidete Männer kamen die Straße herunter, schwerbewaffnet und vermummt. Auf ihre Gesichtstücher war das rotgelbe Abbild Tian Lungs gestickt.
    Es schien die Menschen sehr zu erschrecken, denn sie machten eilends Platz. Nur ein altes Weib wich nicht aus. Sie ging tief gebeugt und schleppte einen Korb auf dem Buckel, randvoll gefüllt mit Lan Tucs. Wasser troff aus dem Weidengeflecht, und im Gewirr der glitschigen Riesenschnecken wuchs ein Fühler hoch. Einer der Männer griff nach seinem Schwert.
    »Weg da!«, brüllte er die Alte an. Sie versuchte auch tatsächlich, sich mit ihrer Last zur Seite zu schleppen, doch es ging dem Mann nicht schnell genug. Er zog die Waffe, trat zurück und holte aus.
    Der Weidenkorb barst. Schlaffe halbe Schnecken quollen hervor und verteilten sich im Staub der Straße. Die Alte verlor das Gleichgewicht und fiel hinterher. Einer der Männer trat ihr ins Gesicht.
    Quong Ho sah aus den Augenwinkeln, wie Tao zum Schwert griff. Blitzschnell packte er den Jüngeren am Arm.
    »Lass es«, warnte er. »Sie tragen das Zeichen des Drachen! Das ist nur dem Himmlischen Hüter erlaubt, also müssen sie etwas mit Ki Ling zu tun haben. Komm, wir reiten zum Palast!« Quong Ho schlug mit den Zügelenden nach Tao und fauchte: »Glotz die Kerle nicht so an, Dummkopf! Sieh weg und tu so, als wären sie gar nicht da!«
    Schweigend lenkte er sein Pferd an den Marktständen vorbei in die Stadt. Jenseits der Tore lag eine andere Welt.
    Die farbenprächtige Vielfalt, der Lärm, das Gedränge – alles schien an den verwitterten Steinfassaden abzuprallen, die Shen Chi wie ein düsterer Wall umgaben. In seinem Schatten verharrten unzählige Schilfhütten, fahlgrün und planlos in die Gegend gestellt. Hier und da hockten alte Leute vor dem Eingang. Frauen, zumeist, die Kinder hüteten oder das Essen zubereiteten. Sie sahen nur flüchtig auf, als Quong Ho an ihnen vorbei ritt. Ein Gewirr kleiner Pfade und Gässchen schlängelte sich zwischen den Hütten dahin, vorbei an Lavafelsen und Trümmern aus der Vergangenheit.
    Es gab in Shen Chi nur eine einzige Straße, die diese Bezeichnung verdiente. Sie war breit und von Bäumen gesäumt, und sie führte schnurgerade zum Palast. Quong Ho lenkte sein Pferd auf die Mittelspur, weg von den seltsamen Körperhüllen am Straßenrand, die ihm unheimlich waren.
    Die Cinnesen wussten von den Tseki-Mücken, dass es Wesen gab, die irgendwann im Laufe ihres Daseins die Haut abstreiften. Das musste auch hier geschehen sein. Aber die Häute hier waren unvergleichlich größer als die der Mücken.
    Sie hatten im Inneren etwas Zerfallenes, das an Sitze erinnerte. Es ergab keinen Sinn, und weil bis jetzt niemand herausgefunden hatte, ob es sich vielleicht um die Körperhüllen von Dämonen handelte, wurden die alten Toyotas und Nissans stets mit respektvoller Verbeugung gegrüßt, wenn man an ihnen vorbei ging.
    Ein Stück vor dem Palast stieg Quong Ho vom Pferd, gab die Zügel an Tao und ging zu Fuß weiter. Die Wachen beäugten ihn misstrauisch. Sie standen an einer niedrigen Mauer mit verrosteten Eisenstummeln. Alle zehn Schritte wuchs sie säulenartig hoch, und an der mittleren Säule hing ein Götterzeichen. Quong Ho wagte nur einen flüchtigen Blick darauf. Es war so lang wie ein Unterarm und so breit wie eine Hand; weiß mit schwarzen Strichen. Man hatte Schamanen und Gelehrte befragt, was sie bedeuten könnten, und alle hatten übereinstimmend geantwortet: Palast des Himmlischen Hüters. (urspr. ein Schild zur Straße des Himmlischen Friedens in Nanking)
    Die Palastwachen kreuzten ihre Schwerter. »Wer bist du? Was willst du hier?«
    »Ich bin Quong Ho, der Vetter des

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