1651 - Höllenkreis
aber trotzdem irgendwie nicht nackt gewirkt. Das war schon ein Phänomen, über das es sich lohnte, nachzugrübeln, was ich auch tat.
Das Wesen war mir fremd. Aber nicht völlig fremd. Ich wurde den Verdacht nicht los, dass ich es bereits in einer ähnlichen Form irgendwann in der Vergangenheit gesehen hatte. Wo das war, fiel mir nicht ein. Irgendwo in einer anderen Welt oder anderen Zeit, einer Dimension, die nicht zur Erde gehörte.
An diesem Gedanken hakte ich mich fest. So langsam ging mir einiges durch den Kopf. Verschiedene Sachen ließ ich Revue passieren. Ich beschäftigte mich vor allen Dingen mit den Engeln und deren Reichen, weil ich davon einfach nicht loskam. War es möglich, dass es eine Dimension gab, in der solche Wesen existierten?
»Ich weiß, woran du denkst«, sagte Suko.
»Kann ich mir vorstellen.«
»Ich denke ebenfalls an gewisse Dinge und bewege mich dabei auf einem bestimmten Feld.«
»Und wie heißt das?«
Suko gab die Antwort erst, als wir am Ende eines kleines Staus anhielten. Er drehte mir sein Gesicht zu, nickte und seine Antwort bestand nur aus einem Wort.
»Aibon!«
Es war der Augenblick, in dem es mir die Sprache verschlug. Verdammt, war das eine Spur? Möglicherweise sogar die Lösung? Suko grinste scharf. »Und? Liege ich richtig?«
»Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Aber ich würde sagen: Nicht schlecht, Herr Specht.«
»Dann denk mal darüber nach.«
Das tat ich auch, während Suko wieder anfuhr. Wir glitten in den Verkehr hinein, und durch meinen Kopf gingen zahlreiche Gedanken. Suko hatte bereits einen Schritt weiter gedacht, und so fing ich an, über Aibon, das Paradies der Druiden, nachzudenken. Es, war ein in zwei Hälften geteiltes Land. Die eine Hälfte konnte wirklich als ein Paradies angesehen werden, die andere aber war dem Bösen geweiht, denn dort regierte ein mächtiger Dämon, der auf den Namen Guywano hörte. Er war grausam, er war macht gierig, und er wollte sich das Paradies einverleiben, um dort mit grausamer Hand zu regieren. Soviel mir bekannt war, hatte er das noch nicht geschafft, aber er gab seine Angriffe und Versuche nie auf, und möglicherweise war es ihm gelungen, erste Erfolge zu erzielen. Das stellte ich erst mal hinten an und beschäftigte mich wieder mit der seltsamen Gestalt.
»Aibon«, murmelte ich. »Das Paradies…«
Hier lebten Wesen, die ins Reich der Märchen gepasst hätten. Ich musste nicht mal an den roten Ryan denken, der zu einem Freund geworden war, sondern an die anderen Wesen. Elfen, zum Beispiel, die man auch als Feenwesen bezeichnen kann. Sie lebten in Aibon. Dort hatten sie ihre Gebiete, ihre Reiche, und ich dachte an das Hexenland, das so etwas wie ihre Geburtsstätte war. Suko warf mir einen Blick zu. »Na, hast du es?«
»Kann sein.«
»Und?«
»Ich denke, dass dieses Wesen kein Engel ist. Wenn, ich es mit Aibon in Verbindung bringe, kann es sich nur um eine Elfe oder eine Fee handeln.«
»Perfekt.«
Ich lachte. »Wenn du das so sagst, sind wir wohl auf der richtigen Spur.«
Er nickte. »Wobei ich mir die Frage stelle, was ein derartiges Wesen hier zu suchen hat. Und ich frage mich weiter, warum aus ihm eine Mörderin geworden ist.«
Das war in der Tat ein Problem, denn wir hatten diese Feen eigentlich nicht als schlecht oder sogar mordgierig erlebt. Warum sie da aus der Reihe getanzt war, wusste ich nicht. Aber mit Überraschungen mussten wir immer rechnen. Aibon ließ sich nicht berechnen, vor allen Dingen dann nicht, wenn ein Dämon wie Guywano seine Fäden im Hintergrund zog.
Bisher waren das nur Vermutungen, und wir konnten nur hoffen, in der Wohnung des toten Adrian Cox einen Hinweis zu finden. Der Verkehr war zwar geringer geworden, Spaß machte das Fahren trotzdem nicht. Die Straßen wurden enger, die Häuser standen noch dichter, und wenn wir Bäume sahen, dann erinnerten sie an traurige Totenwächter, die graue, regennasse Fassaden bewachten. Es war eine Umgebung, die abstumpfte. Weihnachtsbeleuchtung gab es nicht. Die wenigen Menschen auf den Straßen wirkten ebenfalls abgestumpft, desillusioniert.
Die Adresse war nicht einfach zu finden. Hausnummern existierten so gut wie nicht. Da mussten wir uns schon auf unser Gefühl verlassen, und das war im Moment nicht vorhanden. Wir hätten das GPS einschalten sollen, wollten es nachholen, als Suko abbremste. Ich schaute hoch und sah das Ende einer Straße. Unser Ziel lag links. Frome Street war auf dem Schild zu lesen.
»Wer sagt's denn?«, murmelte
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