1654 - Komm in meine Totenwelt
später schoben sich die beiden Carpenters in das Krankenzimmer, das recht groß war, wenn man es mit den Zimmern in den normalen Krankenhäusern verglich.
Es gab auch ein Fenster, vor dem allerdings ein Vorhang hing und das Tageslicht dämpfte. Dennoch war es im Zimmer hell genug, um sich orientieren zu können.
Das breite Bett war nicht zu übersehen. Am Kopfende war es ein wenig hochgestellt worden, sodass der Patient eine sitzende Haltung eingenommen hatte.
Er bot einen erschreckenden Anblick, das musste Al Carpenter zugeben, der schon einiges in seinem Leben gesehen hatte. Peter Dermont sah aus wie ein Toter, aber er lebte noch, denn seine röchelnden Atemzüge begrüßten die beiden.
Die Augen war ebenso geöffnet wie der Mund. Das Haar sah aus wie dünnes Papier, spitz trat das Kinn hervor, ebenso wie die Nase. Die Haut war dünn geworden. Sie umspannte das Gesicht wie Pergament, und die weißen, buschigen Augenbrauen sahen aus, als bestünden sie aus frisch gefallenem Schnee.
Die Carpenters verhielten sich sehr ruhig. Nach drei kleinen Schritten streckte Suzie ihren rechten Arm zur Seite hin aus, um Al klarzumachen, dass er stehen bleiben sollte, was er auch tat.
»Bitte, warte hier. Lass mich das andere übernehmen.«
»Okay. Aber hat es Sinn?«
Suzie schaute ihren Mann an. »Ja, es hat Sinn. Ich kenne mich da aus. Er wird nicht mehr lange leben. Vielleicht nur noch Minuten, und die möchte ich ihm verschönern. Er soll diese Welt in Würde verlassen. Mehr kann ich nicht für ihn tun.«
»Okay, das ist dein Job.« Erst jetzt wurde Al richtig klar, was seine Frau hier tat, und sie stieg in seiner Hochachtung stark an.
Mit nicht hörbaren Schritten näherte sich Suzie Carpenter dem Bett. Die Hände des Greises lagen auf der Decke. Er hatte die Finger ineinander verknotet, und noch immer drang der Atem als leises Röcheln aus seinem Mund.
Suzie stand so, dass sie in das Gesicht des Mannes schaute. Noch hatte der Todkranke sie nicht bemerkt, und das würde auch so bleiben, wenn sich die Verhältnisse nicht änderten.
Dafür sorgte sie, indem sie den Namen des Mannes aussprach. Sie redete die Kranken stets mit dem Vornamen an, und genau das tat sie auch hier.
»Hallo, Peter, hörst du mich?«
Ja, er hörte sie. Darauf deutete das Zucken der dünnen Haut in seinem Gesicht hin.
»Du hast nach mir rufen lassen?«
Jetzt bewegte sich der Mund, der selbst in dem blassen Gesicht kaum auffiel, weil die Lippen alle Farbe verloren hatten. Es fiel ihm nicht leicht, aber der Greis gab nicht auf, als er mühsam den Namen seiner Besucherin aussprach.
»Suzie…?«
»Ja.«
»Du bist gekommen…«
Sie nickte und stellte fest, dass die Augen tatsächlich einen gewissen Glanz bekommen hatten. Der Blick wirkte längst nicht mehr so stumpf, da erlebte Peter Dermont wohl die allerletzte Freude in seinem so langen Leben.
»Ich werde mich gleich verabschieden, Suzie. Ich spüre es in meinem Innern. Ich werde immer kälter.«
Sie strich über seine Stirn. Die dünne Haut war dort trocken. »Noch ist es nicht so weit, Peter. Du kannst noch Wünsche äußern, die ich dir gern erfüllen werde. Ich hole dir ein Glas Wasser oder ich kann auch…«
»Nein, Suzie, nein. Ich möchte nur, dass du bei mir bleibst. Nur noch wenige Minuten, dann bin ich woanders. Ich möchte dir sagen, dass man bereits auf mich wartet.«
»Das weißt du?«
»Bestimmt.«
»Und wer wartet auf dich? Kannst du mir das auch sagen? Siehst du jemanden?« Es war wichtig, dass sie eine Antwort auf diese Frage erhielt, weil sie sich bestätigt sehen wollte.
»Die Frau«, flüsterte er. »Ja, die Frau, ich kann sie bereits erkennen, Suzie.«
»Und wer ist sie?«
»Sie zeigt mir die letzten Minuten meines Lebens an. Denn sie hält das Stundenglas fest, und neben ihr steht der Tod bereit.« Jetzt zuckten die Hände des Kranken. »Ja, der Tod, so wie man ihn kennt. Er ist ein Skelett.«
Suzie Carpenter schloss für einen Moment die Augen. Im Prinzip hatte sie mit dieser Aussage gerechnet, und das war auch irgendwie okay. Doch es war für sie nicht einfach, die ganze Wahrheit in dieser Situation zu hören, denn sie wurde daran erinnert, wie die beiden Gestalten durch ihre Träume gegeistert waren und sie sogar von ihnen real aufgesucht worden war.
»Siehst du sie auch, Suzie?«
»Nein.«
»Aber es gibt sie. Ich weiß es. Sie stehen an der Tür zum Jenseits. Sie holen mich ab. Es ist die Totenhexe, die alte Banshee, die Rebecca heißt.«
»Das
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