1655 - Die »Heiligen« von London
unter einer gewissen Schockstarre, für ihn war es einfach nicht nachvollziehbar, was er da sah.
Er wollte gedanklich nicht akzeptieren, dass er sich in Lebensgefahr befand. Aber das Bild vor ihm sprach eine andere Sprache. Der Stress war groß, und er schaffte es nicht mal, sich Gedanken darüber zu machen, warum man etwas von ihm wollte. Und da war das Messer mit der langen Klinge, das der Blondhaarige in der rechten Hand hielt. In seinem Gesicht bewegte sich nichts. Die Augen fixierten Haie. Was wollen die von mir? Verdammt, ich kenne sie nicht. Ich habe ihnen nichts getan. Das ist doch verrückt und kann sich nur um einen Irrtum handeln.
»He, was soll das? Warum seid ihr gekommen? Ich - ich - habe euch nichts getan.«
Er erhielt eine Antwort. Sie bestand nur aus einem Satz, machte ihn aber auch nicht schlauer.
»Du bist schuldig!«, erklärte den zweite Mann, dessen Haar schwarz war.
»Was bin ich?«
»Schuldig!«, sagte auch der Blonde.
»Nein, nein, verdammt. Ihr irrt euch. Das kann nicht sein. Ich wüsste nicht…«
Sie ließen ihn nicht ausreden. »Es spielt keine Rolle mehr!«, flüsterte Gory und löste sich von der Fensterbank. Er hüpfte ins Zimmer und sah dabei aus wie ein überdimensionaler Frosch, als er auf dem Boden landete.
Terence Haie schrak zusammen. Er sah sich nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Was er hier erlebte, ging über seinen Verstand, der ihm trotzdem sagte, dass er in den nächsten Minuten sein Leben verlieren würde. Wobei er den Grund nicht mal ahnte. Der Blonde richtete sich auf. Er war wirklich nicht groß, glich von den Ausmaßen her mehr einem Liliputaner. Auch sein Begleiter war nicht größer. Beide verloren ihre Starre und setzten sich in Bewegung. Haie hatte damit gerechnet, dass sie auf ihn zukommen würden, was jedoch nicht zutraf, denn sie hatten etwas anderes im Sinn.
Sie kreisten ihn ein. Sie bewegten sich dabei langsam, und wenn sie mit ihren Füßen den Boden berührten, waren sie so gut wie nicht zu hören. Dabei lag in ihren Augen ein gefährliches Glitzern, was darauf hindeutete, dass sie diese Szenerie genossen. Bei Haie meldete sich die Panik. Sein Gesicht glühte plötzlich, und mit der Panik war parallel noch etwas anderes in ihm hochgestiegen.
Der Wille, sich zu wehren. Der scharfe Gedanke an die Flucht. Er musste einfach weg, wenn er sein Leben retten wollte. Sich umdrehen, zwei, drei Sprünge und… Nein, so nicht. Er hätte den beiden zu lange den Rücken zukehren müssen. Und deshalb ging er rückwärts.
Sein Gesicht verzerrte sich. Es war gut, dass sich auf dem Weg zur Tür kein Hindernis befand. Er konnte es schaffen, wenn er schnell genug war. Das wussten auch die Eindringlinge.
Auf ihren kurzen Beinen verringerten sie durch schnelle Schritte die Entfernung zwischen Haie und sich und erreichten einen Punkt, wo der Mann einfach reagieren musste, wenn er sein Leben retten wollte.
Das war auch Terence Haie klar. Da er im Rücken keine Augen hatte, wusste er nicht genau, wie weit er noch von der Tür entfernt war. Er musste es riskieren. Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich um. Er schrie auch auf, als er die Tür zum Greifen nahe vor sich sah. Hier gab es keine Diele. Man ging direkt in die Wohnung hinein, das war jetzt sein Vorteil.
Haie riss die Tür auf.
Geschafft! Der Gedanke war wie ein Schrei. Er brach schnell ab, denn bevor er einen Schritt in den Flur setzen konnte, erwischte ihn das Messer. Es wurde nicht in seinen Körper hinein gerammt. Die Spitze berührte zuerst seinen Nacken, dann glitt sie an seinem Rücken hinab und zerschnitt dort die Kleidung. Aber sie verletzte auch die Haut, sodass ein langer, blutiger Streifen zurückblieb. Das bekam Haie mehr im Unterbewusstsein mit, die Stresshormone waren einfach zu mächtig. Er dachte nur noch an Flucht, und so taumelte er über die Schwelle. Hinter ihm erklang ein wütender Laut. Wahrscheinlich waren die beiden sauer, dass die erste Attacke fehlgeschlagen war. Sie würden nicht aufgeben, das wusste Terence Haie, der alle Kraft zusammennahm und in den Flur stolperte. Sein nächstes Ziel war die Treppe. Für ihn gab es nur diesen einen Weg, und der führte nach unten. In die Höhe kam er nicht, hier war Schluss. Er lief die ersten Schritte und freute sich darüber, dass er es noch schaffte, auch wenn sein Rücken brannte, als würde permanent eine Flamme über ihn hinweg fahren. Die Treppe!
Er taumelte darauf zu, sah die Stufen schon vor sich, da hörte er das scharfe
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