1659 - Die Totengöttin
Füße. Im Flur hielt ich an. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und betrat wenig später die Küche. Nicht um mir einen Kaffee zu kochen, sondern um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen, um wieder ganz zu mir zu kommen.
Jane war nicht mehr im Haus!
Mit diesem Gedanken hatte ich mich endgültig abgefunden. Sie war ganz sicher nicht freiwillig verschwunden. Diese Totengöttin hatte sie geholt und irgendwohin geschafft. Wohin? Das war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte. Jane hätte sich überall aufhalten können, nicht nur in unserer normalen Welt, sondern auch in einer anderen. Aber das waren Spekulationen.
Ich fragte mich, was man mit Jane Collins vorhatte. Ich glaubte nicht, dass sie ihr Leben verlieren würde, denn das hätte ihre Feindin hier einfacher haben können. Deshalb nahm ich an, dass Jane gebraucht Wurde. Die Frage war nur: Wofür wurde sie gebraucht?
Außerdem dachte ich an mich und daran, dass ich in diesem leeren Haus nichts mehr ausrichten konnte. Ich ging davon aus, dass Jane in den nächsten Stunden nicht zurückkehren würde. Es brachte mir nichts ein, wenn ich hier auf sie wartete. Noch immer bewegte ich mich nicht normal, sondern etwas unsicher. Meine dicke Jacke hing griffbereit an der Garderobe. Als ich sie nahm, hatte ich das Gefühl, dass etwas fehlte, aber das wischte ich zur Seite.
Ich zog meine Jacke an. Dabei war mein Blick auf die Haustür gerichtet, die geschlossen war. Bisher hatte ich seit meinem Erwachen keinen fremden Laut im Haus gehört.
Das war jetzt anders.
Jemand klopfte von außen gegen die Tür, als traute er sich nicht, zu klingeln. Augenblicklich war die Spannung wieder da. Ich zog meine Beretta und ging die wenigen Schritte auf die Tür zu.
Wieder hörte ich das Klopf en, diesmal nur etwas fordernder. In der Rechten hielt ich die Beretta, mit der Linken zog ich die Tür auf. Ich war bereit, mich zu verteidigen, ließ die Waffe allerdings sinken, denn vor mir stand eine Frau…
***
Es war nicht die fliegende Totengöttin, es war leider auch nicht Jane Collins, sondern eine Person, die im ersten Moment nicht richtig zu erkennen war, denn sie trug einen Umhang, den sie über den Kopf gestülpt hatte, um sich vor der Kälte zu schützen. Ansonsten war ihr Körper in einen Mantel gehüllt, aus dessen rechtem Ärmel eine schmale Hand erschien, die mich grüßte.
Mir fiel ein, dass Jane Collins von einer alten Frau gesprochen hatte, von der sie verfolgt worden war. Ich hatte noch nicht genau erkennen können, ob es sich um eine alte Frau handelte, weil das Gesicht zu sehr im Schatten lag, aber ich ging schon davon aus.
Bevor ich sie ansprechen konnte, übernahm sie das Wort.
»Du solltest mich ins Haus lassen.«
»Warum?«
»Es ist wichtig.«
Ich zögerte nicht mehr länger und gab ihr den Weg frei. Die Besucherin bewegte sich recht umständlich vor, trat sogar ihre Füße ab, dann ging sie an mir vorbei und zog den Schal vom Kopf.
Ich schloss die Tür in dem Augenblick, als sie sich umdrehte. Da sah ich ihr Gesicht und wusste, dass es genau die Person war, von der Jane gesprochen hatte. Graues Haar wuchs dünn auf dem Kopf. Die Haut im Gesicht zeigte zahlreiche Falten. Dunkle Augen unter grauen Brauen und ein kleiner Mund, der sich jetzt zu einem Lächeln verzog.
»Danke, dass du mich ins Haus gelassen hast.«
»Keine Ursache«, erwiderte ich. »Aber wen habe ich ins Haus gelassen? Hast du auch einen Namen?«
»Ja. Ich heiße Malinka.«
Ich deutete auf die offene Küchentür. »Wollen wir uns nicht setzen? Da redet es sich bequemer.«
»Gern.«
Sie betrat die Küche vor mir, und ich war mehr als gespannt, was sie mir wohl zu sagen hatte und wer sie überhaupt war. Dass ich es mit einer alten Frau zu tun hatte, stand fest, und wenn ich in die hellen und wachen Augen schaute, ging ich davon aus, dass diese Person einiges wusste und auch gern mit Jane Collins Kontakt aufgenommen hätte. Ich bot ihr etwas zu trinken an. Sie entschied sich für einen Schluck Wasser. Das trank ich auch und war froh, wieder fit zu sein, auch geistig. Erst als sie das Glas zur Hälfte geleert hatte, fing sie an zu sprechen.
»Ich denke, dass dir Jane Collins schon von mir erzählt hat, John.«
Ich war leicht überrascht, denn meinen Namen hatte ich ihr nicht genannt.
»Du weißt, wer ich bin?«, fragte ich deshalb.
»Ja, man kennt dich.«
»Und woher kennst du mich?«
Sie lächelte und gab eine Antwort, die alles bedeuten konnte. »Ich bin so alt
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