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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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bevor der Kardinal seine Seele aushauchte. Die Schweizer Pendeluhr auf dem Kamin wurde in dem Augenblick angehalten, als der Beichtvater Seiner Eminenz für immer die Augen schloss.
    Es war der 9.   März 1661, gegen 2. 40   Uhr.

Palais du Louvre
    Mittwoch, 9.   März, kurz nach vier Uhr morgens
    Der Bote hatte sein Pferd bis zur Erschöpfung über die Straßen gejagt, die vom Schloss von Vincennes in die Stadt führten. Während er dem Offizier der Palastwache den Umschlag überreichte, berichtete er ihm von der Neuigkeit, die all jene bereits wussten, die in Vincennes im Dienste des Ersten Ministers standen. Der Hauptmann hastete daraufhin zum Hofmarschall, der sofort in seine Uniform schlüpfte. Zwei Lakaien mit vom Schlaf verquollenen Augen erhellten dem Hofmarschall mit Kerzenleuchtern seinen Weg durch das dunkle Labyrinth des Louvre.
    Der König war am Vortag in den Louvre zurückgekehrt und lag in dieser Nacht bei der Königin. Ein Jahr zuvor hatte Ludwig XIV. sich aus Gründen der Staatsräson entschlossen, die Infantin von Spanien zu heiraten. Die von Mazarin sehnlichst erwünschte Verbindung war ein wahres Meisterstück des Kardinals gewesen, da er damit sowohl den endlosen Konflikten zwischen den beiden Nationen als auch der Liebesbeziehung zwischen dem jungen Ludwig und seiner Nichte, Maria Mancini, ein Ende setzen konnte. Das erste Treffen von Ludwig und Maria Theresia, die im gleichen Jahr geboren waren, fand drei Tage vor ihrer Hochzeit auf der Fasaneninsel inmitten des Flusses Bidassoa statt, dessen Unterlauf die Grenze zwischen Frankreich und Spanien bildete. Maria Theresiaglaubte zunächst an die aufrichtige Liebe des Königs, hatte sie dieser doch vor der Eheschließung in Saint-Jean-de-Luz am 9.   Juni 1660 mit Aufmerksamkeiten überschüttet. Bei ihrer Rückkehr nach Paris im August des gleichen Jahres hatte der frischgebackene Ehemann allerdings sofort wieder Interesse an Maria Mancini gezeigt. Die Königinmutter, die dies vorausgesehen hatte und Zuneigung zu ihrer Schwiegertochter empfand, hatte die Angelegenheit in Ordnung gebracht, indem sie gemeinsam mit Mazarin nach einem standesgemäßen Ehegatten für die Nichte des Kardinals suchte. Was zur Folge hatte, dass Ludwig XIV. großen Gefallen daran fand, auf neue Eroberungen auszugehen.
    In dieser Nacht zum 9.   März hatte der Souverän jedoch den Wunsch verspürt, das Bett mit seiner Gemahlin zu teilen. War es der Todeskampf des verehrten Kardinals, der ihn zu diesen Stunden der Zärtlichkeit und Liebe getrieben hatte, oder der instinktive Wunsch, Vater werden zu wollen, da das Schicksal ihn seines Beschützers beraubte? Trotz der späten Stunde schlief Ludwig XIV. nicht, er betrachtete vielmehr seine Frau, die an seiner Seite eingeschlafen war. Sie ist klein, rundlich und hat nicht sonderlich viel Esprit, sagte er sich, doch ich bin mir sicher, dass sie mir schöne Kinder schenken wird.
    Plötzlich hörte er eilige Schritte, die sich seinem Schlafgemach näherten. Der König richtete sich auf. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen, und der Hofmarschall trat mit einer tiefen Verbeugung an das Bett der Königin. Ludwig XIV. spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann und es ihm die Kehle zuschnürte. Das Schreiben war von Colbert unterzeichnet und beschränkte sich aufs Wesentliche: »Seine Eminenz, Kardinal Jules Mazarin, ist heute Nacht in die Ewigkeit abberufen worden.«
    Der Mann, den Ludwig XIV. am meisten bewunderte, der ihn nach dem Tode Ludwigs XIII. geleitet und der mit Annavon Österreich seine Familie gebildet hatte, war für immer von ihm gegangen. Nie wieder würde er ihn beraten und ihn die Regierungsgeschäfte lehren. Zum ersten Mal im Leben des jungen Königs lastete das ganze Gewicht der Verantwortung auf seinen Schultern. Urplötzlich fühlte sich Ludwig XIV. zerrissen zwischen der Trauer über den Tod seines geliebten Paten und dem Jubel, der in ihm aufbrandete bei dem Gedanken, endlich alleiniger Herrscher in seinem Königreich zu sein.
    »Madame, wacht auf«, sagte der König zu Maria Theresia und rüttelte sie an der Schulter, »eine große Trauer ist über unsere Nation gekommen. Wir haben unseren Ersten Minister verloren. Ich werde mich sofort nach Vincennes begeben, um der Königinmutter in dieser schweren Stunde beizustehen und die nötigen Anordnungen zu treffen.«
    Bei diesen Worten schreckte die junge Königin auf und brach sogleich in Tränen aus, was Ludwig XIV. tief berührte, konnte doch seine

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