1663 - Die neue Hölle
sehen. Trittsicher fand sie ihren Weg nach unten und kam Johnny immer näher.
Auch die zweite Frau blieb nicht mehr stehen. Sie stützte sich wie ein Wanderer auf ihren Speer und schlug genau den Weg ein, den auch die erste Gestalt genommen hatte. Johnny war das Ziel!
Er hatte alles, nur kein gutes Gefühl. In der Umgebung seines Magens zog sich etwas zusammen. Er spürte, dass ihm abwechselnd kalt und warm wurde. Es gab keinen Ausweg, kein Versteck, und eine Waffe trug er auch nicht bei sich. Hatte man ihn nur entführt, um ihn hier von diesen beiden Personen töten zu lassen? Es sah so aus, aber er sah darin einen Widersinn. Das war völlig unlogisch, obwohl die Umgebung hier jeder logischen Erklärung widersprach.
Was war zu tun?
Johnny entschloss sich erst mal, nichts zu unternehmen. Er wollte den beiden nackten Gestalten die Initiative überlassen. Sie näherten sich ihm so weit, dass er ihre Gesichter sehen konnte. Es war nicht zu erkennen, ob sie hübsch waren. Er wollte auch nicht davon ausgehen, dass diese Frauen unbedingt jung waren. Auch die Körper verdienten den Namen schlank nicht. Bei jeder Bewegung schaukelten die schweren Brüste und auch die Hüften blieben nicht steif. Vor Johnny trafen sie zusammen.
Er rechnete damit, dass sie jetzt auf ihn zugehen würden, doch da ließen sie sich Zeit. Sie sprachen zudem nicht, sodass Johnny sich fragte, ob sie überhaupt reden konnten. Er wollte es wissen, und deshalb stellte er eine Frage.
»Könnt ihr mich hören? Wer seid ihr?«
Sie gaben keine Antwort und schauten ihn nur an.
»Seid ihr taub und stumm?«
Da schüttelten sie den Kopf, und die Nackte mit dem Speer öffnete den Mund, um ihm eine Antwort zu geben. Das Öffnen des Mundes empfand Johnny als so prägnant wie bei einem Vampir. Als wollten sie ihm klarmachen, wer sie waren. Das bekam Johnny in den nächsten Sekunden auch zu hören. Beide redeten fast synchron.
»Wir wollen dein Blut!«
Johnny zuckte zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet und musste sich nun mit der Gewissheit abfinden, dass zwei Vampire vor ihm standen.
Aber wo waren ihre Blutzähne?
Er sah sie nicht, wollte nicht glauben, dass sie tatsächlich Vampire waren. Aber ihre Forderung stand fest.
»Ihr seid keine Vampire?«
»Nein!«
»Was seid ihr dann?« Johnny war schon verwundert.
»Noch nicht so weit, nur Halbvampire. Aber dein Blut werden wir trotzdem trinken…«
***
Sie hatten den Wagen der Detektivin genommen. Suko fuhr trotzdem. Jane saß hinten, nachdem Justine Cavallo den Beifahrersitz in Beschlag genommen hatte. Sie wollte nahe beim Fahrer sein, um ihm den Weg zu weisen.
Zwar blieben sie im Großraum London, fuhren jedoch in eine Gegend, die ländlich wirkte und im Winter beinahe so gut wie ausgestorben war. Irgendwann erreichten sie ein altes Gasthaus mit dem Themseblick. Suko wunderte sich darüber, dass das Lokal geöffnet hatte, denn die Gäste konnte man um diese Zeit an einer Hand abzählen.
Justine lachte. »Geh davon aus, dass es nur Stammgäste sind.«
»Du sprichst von den Halbvampiren?«
»Genau. Du kannst sie auch Höllenboten nennen. Sie sollen schließlich die neue Hölle bevölkern.«
»Das ist fast mit Mallmanns Vampir-weit zu vergleichen«, meldete sich Jane vom Rücksitz her.
»Kann man so sehen.«
»Und du bist nie in der neuen Hölle gewesen?«
»Nein, ich wollte mir erst Rückendeckung verschaffen.«
Jane musste lachen. »Das aus deinem Mund zuhören ist schon seltsam. Hätte ich nicht gedacht.«
»Auch ich weiß, dass es für mich Grenzen gibt, die ich erst mal ausloten muss.«
»Stimmt. Du bist nicht allmächtig.«
Die Blutsaugerin lachte leise. »Das kommt ganz auf die Sichtweise an.«
Sie rollten weiter. Suko war sehr konzentriert. Er hatte längst festgestellt, dass die Straße immer schlechter wurde. Sie verdiente mehr den Namen Piste. Der starke Frost der letzten Wochen hatte für Schlaglöcher gesorgt, denen Suko nicht immer ausweichen konnte. Auch war die Umgebung nicht mehr so frei. Er sah eine Ansammlung von Bäumen, die sich nach Norden hin zu einem Wald ausbreiteten. Zur anderen Seite hin lag der Fluss. Er sah aus wie ein graues breites Band, das sich träge durch sein Bett schob.
Vor dem Wald stand das Gasthaus. Ein dunkles Gebäude, das sich nur schwach vor dem ebenfalls dunklen Hintergrund abhob. Schnee lag nicht mehr. Nur am Waldrand und auf dem Hausdach waren noch einige Flecken zu sehen.
»Soll ich bis an das Haus heranfahren?«, fragte
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