1664 - Der Henker von Sloughar
umdrehte, würde er den nächsten Alptraum zu sehen bekommen.
Er bewegte sich langsam, drehte sich um - und erblickte Fopper.
Fopper in einer Größe von mehr als drei Metern, und ein Fopper dieses Kalibers hatte in der Tat alptraumhafte Züge. Riesige rote Augen starrten auf die Galaktiker herab. „Und wer bist du?" fragte Alaska Saedelaere. Er sah, wie Fopper - der echte, kleine Fopper, was für ein liebenswert putziger Genösse neben seinem riesenhaft vergrößerten Ebenbild! - Purzelbäume auf dem rechten Spann des Henkers schlug. „Ich sagte es schon, ich bin der Henker von Sloughar..."
Alaska machte eine abwehrende Geste. „Das ist deine Funktion", sagte er. „Mit welchem Wort beschreibst du deine Persönlichkeit, unabhängig von deiner Funktion?"
Der Riesenfopper erstarrte. Seine Augen, vorher düsterrot, wurden ein wenig heller.
Und seine Stimme klang nun leiser. „Ich verstehe das nicht", sagte der Henker. „Ich verstehe den Sinn eurer Worte nicht."
Er mußte sich seiner Sache, seiner Überlegenheit in jeder nur denkbaren Beziehung völlig sicher sein, sonst hätte er sich schwerlich die Zeit genommen, mit seinen potentiellen Opfern zu philosophieren. „Ein Henker ist jemand, der einen Verbrecher straft, ihn tötet. Das ist seine Funktion.
Richtig?"
„Ja, und ich bin der Henker. Ich töte. Die Anderen, so, wie Jene es befohlen haben."
Alaska begriff. Der Henker von Sloughar mochte in körperlicher Hinsicht ein Riese sein, und was seine Parakräfte anging, war er womöglich sogar Gucky überlegen - aber seine Möglichkeiten, die Wirklichkeit geistig zu ordnen und zu begreifen, waren dürftiger als die eines Kindes. Offenbar kannte er nur zwei Kategorien von Wesen, die er nach dem Verfahren die da und der dort unterschied. Und deshalb hatte er noch nicht einmal einen wirklichen Begriff von sich selbst. „In diesem Augenblick tötest du nicht - oder? Und doch bist du vorhanden. Du bist da, du tötest nicht, also kannst du nicht der Henker sein, nicht in diesem Augenblick, in dem du nicht tötest - wer bist du jetzt?"
Die Antwort des Henkers kam spontan. „Kress?!"
Es klang mehr nach einer Frage. „Ich - bin - Kress? Bin - ich - Kress? Kress, das bin ich." Ein klarer Blick richtete sich auf die beiden Galaktiker. „Ich bin Kress."
Dann war wieder ein Schleier auf den Augen. „War ich Kress? Werde ich Kress sein? Kann ich zugleich Kress und Henker sein?"
Alaska Saedelaere blickte Gucky an. Auch der Mausbiber hatte das Problem erkannt.
Ein Geschöpf mit so geringer geistiger Ausstattung, wie sie Kress in diesem Augenblick demonstrierte, konnte unmöglich all die komplizierten Aufgaben bewältigen, die mit dem grausigen Beruf des Henkers von Sloughar verbunden waren. Gerade war er offensichtlich dabei, zum ersten Mal zwischen seiner Person und seiner Funktion zu unterscheiden. Er entwickelte sprachliche Möglichkeiten, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu unterscheiden.
Gucky deutete auf Fopper, der mit einer wahren Affengeschwindigkeit am Körper seines Ebenbildes hinauf- und herabturnte. Ganz offensichtlich war Fopper von diesem großen Schmusepartner überaus angetan. „Ihm fehlt offenbar gänzlich der Begriff Zeit", sagte Gucky leise. „Er kann sich wohl nicht erinnern, deswegen hat er auch keinerlei Zugang zu seinem Tun. Wenn er immer nur für einen Augenblick lebt, für eine Aktion als Henker, dann kann er die Taten und die Opfer nicht miteinander vergleichen. Und daher kann er auch keine Moral entwickeln - außer der, die Jene ihm eingeflößt haben."
Alaska deutete mit einem Lächeln auf Fopper. „Offensichtlich liebt er dich", sagte er halblaut. Der Riesenfopper starrte mit sich verdunkelnden Augen auf ihn herab. „Was ist das?" fragte der Henker von Sloughar stockend. „Was bedeuten diese Worte ...?"
*
Bericht Alaska Saedelaere, Expeditionsleiter, an Bord BAS-KR-15 mit Eigennamen DIONE; Eintrag ins Bordbuch: 31. Dezember 1206 NGZ: Die drei Schiffe verlassen in den letzten Stunden des Jahres 1206 NGZ das Sonnensystem, zu dem der Planet Sloughar gehört. Wir verlassen das System eilig, denn ich weiß nicht, ob Kress vielleicht doch noch einmal seine Haltung ändert und Jagd auf uns macht.
Die beste Nachricht ist die, daß wir keine Verluste hatten: Die alptraumhaften Gedankensendungen, mit denen Kress seine Opfer quälte, entstammten einer telepathischen Rückkopplung zwischen ihm und Lott Firgan sowie Urgan Frier. In Wirklichkeit hat er ihnen kaum
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