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1666 - Der weite Horizont

Titel: 1666 - Der weite Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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und morgen", sagte der Wilde. „Bilder aus einer Zeit, als wir alle noch Brüder und Schwestern und Dritte wie du waren. Als wir eine Sprache hatten, die alle verstanden. Und als wir allein mit unserem Geist Dinge bewegen und verändern konnten, die uns heute fremd geworden sind."
    Boccu konnte nicht sagen, was ihn mehr erregte - die Worte des Nasranfressers oder das Dunkel, das langsam herankroch. Aber vor ihm taten sich ganz neue Welten auf. Er ahnte, was Kruff als nächstes sagen würde. „Aber das Wissen um die Alte Kraft steckt tief in uns allen, Erhabener", hörte er. Nie war ihm die Anrede „Erhabener" unangebrachter erschienen. Der wirklich Weise war plötzlich der Wilde, nicht er. „Es liegt in uns begraben, und es gibt Stämme, in denen dieses Wissen dem Geist näher oder ferner ist. Die Voch leben nahe an den Alten Geheimnissen, sie besitzen noch große Teile der Alten Kraft. Dein Stamm, Erhabener, und der meine haben sich in vielen Generationen weit von unseren Ursprüngen entfernt.
    Nur ab und zu geschieht es, daß ein Kind geboren wird, in dem die Erinnerungen wieder wach werden. Du gehörst dazu, und ich gehöre dazu. Nur scheint dein Mut noch nicht groß genug zu sein, um von deinem Geistführer die großen Wahrheiten zu erfragen. Denn ein Geistführer ist immer nur so stark wie man selbst."
    Boccu starrte ihn fassungslos an: einen Wilden, der dabeigesessen hatte, als sein Stamm darauf wartete, daß er am Spieß über dem Feuer gebraten wurde. „Ich mußte mich verstellen", gestand Kruff, als hätte er in Boccus Gedanken gelesen. „Von meiner frühen Kindheit an, als ich merkte, daß ich nicht so war wie die anderen in meinem Alter. Als du dann kamst und plötzlich Worte in unserer Sprache schriest, da wußte ich, daß mein Leben sich ändern mußte."
    „Was?" fragte Boccu mit trockener Kehle. Es näherte sich. Fast konnte er spüren, wie es dünne Schwaden wie Fühler losschickte, die ihn berührten. „Was habe ich damals gesagt?"
    „Du hast geschrien, daß du die Alte Kraft besitzt und du den ganzen Stamm auslöschen würdest, wenn sie dich nicht sofort losließen."
    „Die Alte Kraft...", wiederholte Boccu leise und andächtig. „Diese Worte hat mir mein Geistvogel in den Mund gelegt. Ich wußte gar nicht, was ich rief."
    „Aber es hat mir gezeigt, daß selbst in meinen wildesten Stammesgefährten diese Urerinnerung noch vorhanden ist. Nie bis zu diesem Augenblick ist sie durchgebrochen.
    Aber die Worte, die du verwendet hast, Erhabener, haben sie geweckt, und meine Gefährten sind in Panik geflohen und nicht wiedergekommen, bis wir beide das Dorf verlassen hatten."
    „Und du", murmelte Boccu mit zitternder Stimme, „hast von der Alten Kraft gewußt.
    Du hattest keine Angst vor mir, weil dein Wissen dich unangreifbar machte."
    Es war sicher nicht ganz so gewesen. Boccu fand nur nicht die richtigen Worte. Auf jeden Fall hatte sich Kruff schon sehr lange mit dem beschäftigt, was in ihm an Erinnerung an die Urzeiten vorhanden gewesen war, während es die anderen Nasranfresser wie ein Schlag getroffen hatte. „Ich wußte, daß uns das Schicksal zusammengeführt hatte, und daß ich dein Schüler sein wollte, Erhabener", antwortete Kruff. „Hör damit auf!" sagte Boccu heftig.
    Er zuckte zusammen. Etwas berührte ihn. Es war nichts Stoffliches, und er fühlte, wie es in ihn eindrang. Was gab ihm den Mut, jetzt nicht aufzuspringen und davonzurennen? „Hör auf, mich Erhabener zu nennen!" sagte erheftig zu Kruff und versuchte, seine Angst zu beherrschen. Er hatte das Gefühl, daß er nicht mehr oft die Gelegenheit bekam, mit Kruff so zu sprechen, und daß seine ganze Zukunft davon abhing, was er hier und jetzt noch erfuhr.
    Wenn ihn das Nichts bis dahin nicht gefressen hatte ... „Ich bin nicht klüger und nicht mächtiger als du, Kruff. Im Gegenteil. Du weißt doch viel mehr. Warum benimmst du dich immer noch wie mein Diener?"
    Der Wilde nahm Boccus Hand und drückte sie leicht. Von diesem Augenblick an hatte der junge Nasran keine Angst mehr vor dem Nichts, das immer näher rückte. „Du bist erhaben", erläuterte Kruff, „nicht weil du an die Pforten einer Erinnerung an die Alte Zeit klopfst und deshalb, ohne es wirklich zu wissen, deinen Stamm auf der Suche nach der Wahrheit verlassen hast. Es gibt andere, die weitaus mehr Wissen besitzen als du. Nimm die Voch, nimm hundert andere Stämme, und nimm mich. Aber wir alle haben nicht das, was du besitzt."
    „Und was ... ist das?"
    Es

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