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1667 - Die Früchte des Wissens

Titel: 1667 - Die Früchte des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gebüsch, auf das ferne Gebirge Rok zu.
    Dennoch bückte sich Niisu und rief: „Hoo! Ist da drinnen jemand?"
    Keine Antwort. Niisu legte seine Beutel ab, nahm ein Eisenmesser in die Hand und kroch vorsichtig durch die Öffnung. Unter dem Ziegeldach war es warm und muffig - aber leer. Wer in den Sturm geriet, so, wie es ihm und Cahlie passiert war, der war so gut wie tot. Für den Stamm hätte es keinen Sinn, Tote zu suchen oder auf Leichen zu warten. Also waren sie abgezogen. Aber... es roch nach etwas anderem.
    Allmählich gewöhnten sich Niisus Augen an die Dunkelheit. Durch die Öffnung fiel nur ein sanfter Schimmer von Tageslicht, weil die Sonne auf der anderen Seite stand. Dann aber verstand er. Die Öffnung! Der Stamm hatte in der Tat bis zuletzt gewartet, ob Niisu und seine Sterngefährtin auftauchen würden. Doch sie waren nicht gekommen.
    Und bei einem Sturm dieser Stärke hatten sie keine andere Wahl gehabt, als irgendwie dieses Loch zu schließen.
    Niisu schnüffelte mißtrauisch. Wer den Geruch von totem Fleisch jemals wahrgenommen hatte, erkannte ihn immer wieder. Dort in der Ecke lag ein Körper. Er regte sich nicht. Es war der Körper eines Trepecco-Nomaden: Loomos, des Alten.
    Sein Rücken war eine einzige zerfetzte Wunde.
    Vor Niisus innerem Auge entstand ein Bild von Cahlie, ohne daß er sich dagegen wehren konnte. Es war dieselbe Art von Verwundung, und ebenso wie sie war Loomo schon lange verblutet. Wäre Niisu früher eingetroffen, hätte er Rückstände von Eis in der Wunde vorgefunden.
    Folgendes reimte er sich zusammen: Als der Sturm begonnen hatte und als die Not, das Loch zu schließen, immer größer wurde, hatte der Stamm das einzige Dämmaterial benutzt, das zur Verfügung stand. Und das war einer ihrer Körper. Loomo hatte sich geopfert. Sie hatten ihn vor das Loch gelegt und seinen Tod mit angesehen. Er war gestorben, aber alle anderen Nomaden hatten überlebt.
    Aus der muffigen Höhle kroch Niisu ins Freie. Wenn er jemals wieder Anschluß finden wollte, existierte nur eine Möglichkeit: Er mußte seinem Stamm folgen.
     
    *
     
    Wenige Stunden verstrichen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Das Violett des Himmels schlug in ein sehr dunkles Rot um, und die gelben Strahlen der Sonne durchzuckten nur noch die Abendstimmung, wenn der Dunst am Horizont aufriß. Es ist die schönste Zeit des Tages, überlegte Niisu. Tag und Nacht, Tod und Leben, alles lief im Kreis. Und er war ein Nomade; einer, der immer seiner Bestimmung in diesem Kreis hinterherrannte, ohne sie je zu erreichen.
    Er würgte ein halbes Kilogramm Beeren hinunter und verzichtete anschließend auf jede Flüssigkeit. Denn die, so wußte er, vertrug sich nicht mit der Beerensäure. Seine Verdauung war nicht gut. Aber immerhin war sie gut genug, zumindest elementares Wissen herauszuziehen. Niisu würde nicht verhungern, solange er sich im Land Boor befand.
    Immer dunkler wurde es. Zuerst hatte er die Fußspuren noch deutlich erkannt. Ein Nomadenstamm hinterließ Schneisen im Gebüsch, Feuerstellen und hin und wieder Kot, der wegen der Insekten nicht zu übersehen war. Das dumme war nur, daß er allein nicht vorankam. Doppelt so schnell wie er bewegte sich der Stamm. Sie hatten das klare Ziel vor sich, das Gebirge. Er dagegen folgte nur einer Spur, was ungleich schwieriger war.
    Niisu hielt rechtzeitig nach einem Schlafplatz Ausschau. Das Beste, was er fand, war eine Höhle am Rand eines Hügels.
    Der erste Bewohner hatte die Höhle längst verlassen, weil sie nicht weit genug in den Fels reichte und schwer zu verteidigen war. Inzwischen aber hatte sich eine ganze Horde von Nagebraaks eingenistet. Niisu betrachtete im Schein der Dämmerung den Eingang. Keiner der Braaks war größer als seine Faust. Für sich allein bildeten die Tiere keine Gefahr. Als Horde von zwanzig Stück jedoch waren sie imstande, selbst einen ausgewachsenen Trepecco zu besiegen. Sie hätten ihn einfach angesprungen, wieder und wieder. Ein paar hätte er abgeschüttelt, die anderen wären irgendwann an seinen Gliedern hochgeklettert. Wenn sie den Hals einmal erreicht hatten, gab es kaum noch Rettung.
    Niisu spürte ihre Blicke.
    Die Nagebraaks zischten leise. Einen Angriff riskierten sie nicht; sobald er zwei oder drei Sekunden Vorsprung hatte, gaben seine langen Beine den Ausschlag.
    Ihr werdet von dort verschwinden, dachte er. Genauso wird es geschehen, weil ich der Klügere bin.
    Der Nomade zog Werkzeug aus dem Beutel und grub zwei Büsche aus. Er hatte

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