1668 - Die Türme von Canaxu
seiner Bestäubungsphase. Oder ein paar davon."
„Ah."
Die beiden hockten sich an die Wurzel eines Baumes, mit dem Rücken lehnten sie gegen die Rinde. Niisu gab Geräusche von sich, die wie ein Lachen klangen. Seine Augen blitzten.
Als der fragende Gesichtsausdruck des Arkoniden anhielt, fügte er hinzu: „Die Troyo-Bäume sammeln in ihren Stämmen monatelang Gas an, bis irgendwann der Druck zu groß wird. Sie explodieren. Kurz vorher gibt es ein schreckliches Geräusch, das die Tiere warnt. Dasselbe, das der Boyang-Vogel imitiert und das von deinem Handgelenk kam. Das Gas ist giftig. Splitter fliegen herum, und an den Zacken sitzen Troyo-Pollen. Das giftigste Zeug in dieser Ebene. Da ist ein Riß tödlich. Wer diese Pollen ißt oder einatmet, stirbt."
Sehr sinnreich, kommentierte Atlans Extrasinn. Viele Pflanzen legen es sogar darauf an, sich essen zu lassen. Dann werden die Samen verschleppt, und an anderen Orten entsteht eine neue Pflanze. Die Troyos sind anders. Sie legen Wert darauf, sich ungestört zu verbreiten. Auch eine Methode. Wahrscheinlich ist so die blaue Ebene entstanden.
An diesem Tag schafften sie nicht mehr als zwanzig Kilometer. Niisu suchte früh einen Lagerplatz. Da sich jemand für seine Erzählungen interessierte, redete er viel und gern.
Atlans Gedanken jedoch beschäftigten sich lange mit der Frucht; die Wurzel hatte zum erstenmal ihr Leben gerettet.
*
Drei Tage später erreichten sie den Rand der Ebene. Allmählich ging der Boden in grauen, lockeren Sand über; hier fanden die Bäume keine Nahrung mehr. Vor ihnen lag ein breiter, toter Streifen. In drei bis vier Kilometern Entfernung erhoben sich neue Gewächse.
Es handelte sich um ein wirres Durcheinander aller möglichen Pflanzen; um die Vorboten einer Sumpf- und Seenlandschaft. Heftiger Wind blies den beiden entgegen.
Es war wie eine Aufforderung an sie, umzukehren, aber Atlan war viel zu froh, das nervtötende Blau hinter sich zu lassen.
Das Ereignis fiel mit einem anderen zusammen. Nach langer Wartezeit teilte ihm Cessie Briehm das Ergebnis der Analyse mit. „Ein hartes Stück Arbeit", tönte es aus dem Lautsprecher in seinem Ohr. „Die Wurzel war eine harte Nuß; wir haben sogar die Wissenschaftler der LAIRE und die Arcoana hinzugezogen."
„Und?" fragte der Arkonide leise, damit Niisu nicht aufmerksam wurde. „Ergebnis?"
„Auf den ersten Blick handelt es sich um ein normales, wurzelartiges Erdgewächs ohne großen Nährwert. Wir haben versucht, die Wurzel künstlich zu vermehren, aber das hat nicht geklappt. Das war die erste Überraschung. Wir waren nicht einmal imstande, den genetischen Code zu knacken. Die Biologen behaupten, daß es so was noch nie gegeben hat. Die erste Erkenntnis kam von den Chemikern. Du weißt, Atlan, daß es auf diesem Sampler-Planeten ausschließlich Wasserstoff als H5 gibt. Auch in der Wurzel ist sämtlicher Wasserstoff nur H5."
„Was bedeutet das?"
„Gar nichts. Wir haben keine Ahnung. Vorerst ist das nur eine Beobachtung ohne Wert.
Trotzdem, wir haben etwas Besonderes vor uns ... Anschließend haben wir versucht herauszubekommen, wieso die sogenannte Frucht für die Trepeccos so bedeutsam ist.
Zumindest ansatzweise haben wir die Lösung. In der Wurzel findet sich eine ungeheure Vielzahl versteckter Eiweißverbindungen. Die Verbindungen sind in größeren Kettenmolekülen eingeschlossen. Die Magensäfte der Trepeccos lösen diese Ketten auf.
In den Mägen werden die Eiweißverbindungen resorbiert, aber nicht aufgeschlossen.
Das Ganze dringt vollständig in die Blutbahn ein und wird irgendwo im Gehirn angelagert."
„Im Gehirn?" fragte Atlan entgeistert, in der ersten Erregung lauter als notwendig. Mit den Füßen stapfte er durch tiefen Sand, doch der Wind pfiff so laut an ihren Köpfen vorbei, daß Niisu nichts gehört hatte. „Seid ihr sicher?"
„Weitgehend." Cessie Briehms Stimme klang so ungläubig, als könne sie es selbst nicht fassen. „Wir hatten keinen Trepecco zur Verfügung. Deshalb hat es kein Experiment gegeben. Aber Mayhel Tafgydo besitzt von Niisu gutes Datenmaterial, und das haben wir genutzt."
„Sind die Daten abgesichert?"
„Wir lassen den Syntron seit zwei Tagen heißlaufen. Er behauptet, die Nomaden ziehen aus dem Genuß der Wurzel Informationen über ihre Umwelt. Für jedes Biotop ist eine eigene Wurzelsorte zuständig. Sie enthält Wissenswertes über Nahrung, Wetter, Flora, Fauna und so weiter. Wir haben schon Sonden losgeschickt. Sie
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