1668 - Die Türme von Canaxu
sollen noch so eine Wurzel aufspüren. Aber das ist anscheinend nicht ganz einfach."
Atlan stemmte sich dem Wind entgegen. Immer wieder flog Sand in seine Augen. Mit verkniffenem Gesicht folgte er Niisu. „Hmmm", machte er. „Wenn ich ehrlich bin: Das Ganze klingt eine Spur zu phantastisch."
Aber logisch. Bedenke Niisus Verhalten. „Dabei ist es ganz einfach", ereiferte sich Cessie Briehm an Bord der ATLANTIS, die natürlich den Kommentar seines Extrasinns nicht hören konnte. „Unser menschliches Gedächtnis besteht ebenfalls aus chemischen Verbindungen. Wir sind seit mehreren tausend Jahren imstande, Wissen chemisch zu übertragen. Natürlich nur einfache Sachverhalte; Dunkelangst zum Beispiel. Eine einzige Spritze, und du wirst dein Leben lang Angst vor dem Dunkeln haben. Oder Vorlieben für bestimmte Farben, was auch immer ..."
„Und jetzt die Preisfrage: Sind die Wurzeln das wahre Geheimnis von Canaxu?"
„Keine Ahnung."
„Sind sie natürlich entstanden oder ... gezüchtet?"
„Der Syntron weiß es nicht. Ich persönlich tippe auf die Natur. So verrückte Sachen kann sich kein Wesen ausdenken."
„Wir behalten das im Auge. - Du kannst für mich eine Meldung an Theta von Ariga und Aktet Pfest weitergeben, Cessie: Ich verlasse mit Niisu die blaue Ebene. Vor uns erstreckt sich eine Art Sumpfland. Irgendwas bekannt darüber?"
„Wenig. Zu wenig."
Insgeheim ärgerte sich Atlan über sie; daß seine Reise in diese Richtung ging, wußte man an Bord der ATLANTIS. Und trotzdem hatte Cessie Briehm die Möglichkeit, den Sumpf zu erforschen, ungenutzt verstreichen lassen.
Sie haben genug mit der Wurzel zu tun. Das sind keine Praktiker, das sind Wissenschaftler
5.
Niisu dachte lange darüber nach, weshalb dieser Fremde namens Atlan ihm das Leben gerettet hatte. So schrecklich es für ihn gewesen war, in Atlans Haus gefangen zu sein - es hatte ihn über eine schwere Zeit gebracht. Wo und was war das überhaupt, Atlans Haus? Daß dieser geheimnisvolle Ort mit dem noch geheimnisvolleren Jenseits-Land identisch sei, von dem die Legende berichtete, glaubte er längst nicht mehr.
In der blauen Ebene erwies sich Atlan als guter Weggefährte. Vielleicht als Freund?
Aber dazu durchschaute Niisu ihn viel zuwenig.
Nach einiger Zeit ließen sie die blaue Ebene und die Grenze zwischen den Landen hinter sich. Der heftige Wind flaute ab. Vom Sumpf her wehte eine feuchte Brise, die schon erste Gerüche von Fäulnis und Moder mit sich trug. Um sich dort zurechtzufinden, reichten auch Atlans seltsame Kräfte nicht. Sie brauchten die Frucht.
Oder besser: Niisu brauchte sie, denn Atlan weigerte sich, auch nur einen Brocken zu sich zu nehmen. Statt dessen kaute er lieber auf seinen „Pillen" herum, wie er die kleinen schwarzen Brocken aus seinem Rucksack nannte.
Ihre Füße traten kniehohe Gräser nieder. Flüchtige Vogelschreie mischten sich in das Geräusch des Windes. Und Niisu war plötzlich sicher, daß die Frucht nur in einem hoch gelegenen Teil des Landes zu finden wäre. Deshalb wählte er den ansteigenden Weg.
Durch dichte Büsche bahnten sie sich eine Bresche. Und gegen Abend hatte Niisu Glück; er grub die Wurzel aus, kaute bedächtig und verfiel in tiefen Schlaf.
*
Als er gegen Mittag des nächsten Tages die Augen öffnete, hockte Atlan neben ihm.
Der andere hatte über seinen Schlaf gewacht.
Der Sumpf Magahl. Tausend Seen ohne Ufer, tiefe Sümpfe mit todbringendem Sansagras, das kein Nomade ohne Hilfe überwinden kann. Sich schlängelnde Würgepflanzen unter Wasser, Untiefen im dampfenden Moor, Fische, die so klein sind wie der Finger eines Nomaden. Aber tödlich in ihrem Biß... „Hast du es überstanden, Niisu?" fragte Atlan. „Du siehst nicht gut aus."
„Es geht mir ausgezeichnet."
Niisu starrte blicklos vor sich hin.
Ich sehe die Gefahren des Sumpfes, ermesse die Größe von Magahl, kenne jede Pflanze und jedes Tier. So deutlich ist es nie gewesen. Ich sehe den Weg vor mir - den einzigen, der nicht tötet, und den einzigen, den man gehen kann, will man das Land nicht in vielen Tagesreisen umrunden.
Ohne viele Worte machte sich Niisu für den Marsch ins Sumpfgebiet bereit. Sie nutzten die letzte Gelegenheit, ihre Beutel mit Frischwasser aufzufüllen, und wateten durch tiefe Pfützen stundenlang südöstlich.
Niisu erzählte von Cahlie, seiner Sterngefährtin, mit der er früher jeden Gedanken geteilt hatte. Sie war die Trägerin seines Kindes gewesen, und er hatte sie über
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