1678 - Das Selbstmord-Haus
Das wäre nicht unnormal gewesen, aber diese Person hielt ein Messer in der Faust. Der Mann wirkte wie ein Wahnsinniger. Für einen Moment sahen wir in sein verzerrtes Gesicht. Dann hatte er uns registriert, und das versetzte ihm offensichtlich einen Schock.
Zwei fremde Männer, die ihm plötzlich im Weg standen! Das musste er ändern. Er suchte sich mich aus, weil ich vor Suko aus dem Lift getreten war. Sein rechter Arm wurde plötzlich lang und die Klinge sollte dicht oberhalb des Nabels in meinen Bauch eindringen.
Nur war ich es gewohnt, Schrecksekunden so schnell wie möglich zu überwinden. Ich wich dem Mann aus, der einfach nur herangestürmt kam, und rammte ihm meine Faust in den Rücken.
Er fluchte, stolperte - und zwar genau auf meinen Freund und Kollegen Suko zu. Der musste ihn sich nicht mal zurechtstellen. Der Mann taumelte in den Karatehieb hinein, der seinen Nacken traf. Die Gestalt im weißen Anzug landete bäuchlings auf dem Boden, wo der Kerl liegen blieb und keinen Schaden mehr anrichten konnte.
»Was war das denn, John?«
Ich wollte eine Antwort geben und ihm erklären, dass ich auch keine Ahnung hatte, aber ich wurde abgelenkt. Meine Augen weiteten sich, denn jetzt erlebte ich eine zweite Überraschung.
Auf der Türschwelle, die der Messerheld übersprungen hatte, erschien noch ein Mann. Er wollte in den Flur rennen, stoppte aber, als er uns sah.
»Nein, das ist nicht wahr!«
Ich lachte. »Doch, Bill, das ist es.«
Der Reporter schüttelte den Kopf und kam mit kurzen Schritten auf uns zu. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr…«
Genau das konnten Suko und ich unterschreiben.
***
Der Notarzt war schnell da und hatte sich um die schwer verletzte Helen Snider gekümmert. Der Messerstich war tief in sie eingedrungen und sie hatte auch eine Menge Blut verloren. Jetzt musste sie so schnell wie möglich in ein Krankenhaus gebracht werden. Wir drückten ihr die Daumen, dass sie es überlebte. Den bewusstlosen Messermann hatten wir in die Wohnung geschafft, ihn mit Handschellen gefesselt und ihn im Bad verstaut, solange die Männer von der Rettung noch da waren.
Mittlerweile hatten wir uns ausgesprochen. Jeder wusste jetzt, warum-der andere hier war. Das war ein Zusammentreffen, bei dem wieder einmal das Schicksal seine Fäden gezogen hatte.
Bill hatte sich mehrmals bei seiner Frau für die Lebensrettung bedankt, aber davon hatte sie nichts hören wollen und gemeint, er könnte sich ja das Kissen als Andenken mitnehmen.
Was nicht eben wie ein neuer Fall für uns ausgesehen hatte, war nun einer geworden. Ab jetzt mussten wir die zwölf Selbstmorde in einem anderen Licht sehen. Suko verschwand im Bad, um den Messerstecher zu holen. Er schleppte ihn in den Wohnraum und legte ihn dort auf den Teppich. Der Kerl war noch immer weggetreten. Suko durchsuchte seine Kleidung. Er hörte ebenso zu wie ich, was uns die Conollys zu erzählen hatten. Sie waren praktisch durch Zufall und durch ihre Neugierde in diesen Fall hineingeraten, weil sie sich noch immer keinen Grund für den Selbstmord vorstellen konnten.
»Der Mann war Banker«, gab ich zu bedenken.
»Das schon.«
Ich fuhr fort. »Und man hat ja von Suizidfällen gehört, als einiges zusammenbrach.«
»Das stimmt auch«, gab Bill mir recht. »Aber Larry Snider gehörte zu denen, die da nicht mitgemacht haben. Er gab gute Tipps und davon haben wir auch profitiert. Frag Sheila.«
»Das stimmt«, meldete sie sich. »Wir waren sogar zusammen essen und pflegten ein fast freundschaftliches Verhältnis. Deshalb haben wir uns ja über seinen Tod so gewundert.«
»Und wollten nachhaken«, sagte Bill.
Suko richtete sich auf. Er hatte einen Führerschein gefunden. »Der Mann heißt Ray Silver.« Er winkte mit dem Ausweis und sah, dass Bill und ich den Kopf schüttelten. Keinem von uns sagte der Name etwas.
Bill sprach einen Satz aus, der Suko und mich aufhorchen ließ.
»Er sagte, dass er zu den Wächtern gehören würde.«
»Welchen Wächtern?«, fragte ich.
»Denen, die den Eingang zum Totenreich bewachen, und als ich ihn fragte, ob er damit den Tempel meinte, hat er nur gesagt, dass ich viel wisse.«
Schon wieder eine Neuigkeit. Ich fragte Bill, welchen Tempel er gemeint hatte, aber da musste er passen und hob die Schultern. »Mrs. Snider hat uns davon erzählt. Sie hat den Begriff im Computer ihres Mannes gefunden.«
»Du weiß auch nicht mehr, Bill?«
Er breitete die Arme aus. »Sorry, aber ich kann dir da nicht helfen. Aber ich denke,
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