1678 - Das Selbstmord-Haus
Bill zu erreichen. Er rannte auf den Reporter zu. Wer ihm zusah, der hätte meinen können, dass er über den Steinboden flog, so schnell war er. Kurz bevor er Bill erreichte, stieß er sich ab und riss ihm die rechte Hand von Mund weg, zusammen mit der Waffe. Bill hatte den Abzug noch nicht zurückgezogen und deshalb löste sich auch kein Schuss. Dafür rutschte die Pistole Bill aus der Hand. Suko trat sie weg und sah in diesem Moment die geisterhafte Erscheinung im Dunkel der Nische…
***
Genau diese Gestalt fiel auch mir auf!
Die fünf Sekunden waren vorbei. Ich konnte mich wieder normal bewegen. Zwischen meiner Entdeckung und dem Handeln verging eine kaum messbare Zeitspanne. Suko und Bill interessierten mich in diesem Moment wenig. Ich wollte an die Erscheinung heran. Das Kreuz schlug beim Laufen ständig gegen meine Brust, aber ich hatte keine Zeit, um es abzustreifen.
Für einen kurzen Augenblick sah ich die Gestalt genauer. Sie war nicht nur ein Geist. Sie schwankte zwischen Festkörper und einem feinstofflichen Dasein und ich sah, dass diese Gestalt nicht reagierte.
Wahrscheinlich war sie zu überrascht, dass sie bei Bill eine Niederlage erlitten hatte. Dann tauchte ich in die Nische. Ich wollte mich gegen die Gestalt werfen, damit es zwischen ihr und dem Kreuz zu einem Kontakt kam. Plötzlich hörte ich den zittrigen Schrei. Für eine Sekunde war die Gestalt noch deutlicher zu sehen und sie kam mir dabei vor wie ein weißes Skelett.
Dann war sie weg!
Ob ich sie nun durch mein Kreuz vernichtet oder sie die Flucht ergriffen hatte, konnte ich nicht genau nachvollziehen. Sie war jedenfalls verschwunden und ich glaubte auch nicht, dass sie noch mal hier auftauchen würde.
Beinahe wäre ich noch gegen die Wand gelaufen. Im letzten Augenblick konnte ich stoppen und bemerkte dabei, dass auch das blauweiße Restlicht aus dieser Umgebung verschwand.
Als ich mich umdrehte, war kein künstliches Licht mehr vorhanden. Die einzige Helligkeit fiel durch die offen stehende Tür des Hauses…
***
Bill Conolly war völlig fertig. Suko hatte ihm erzählt, was hätte passieren können, und das musste der Reporter erst mal verkraften. Er konnte sich nur schwach erinnern und schüttelte immer wieder den Kopf. Suko versprach ihm auch, dass er Sheila nichts sagen würde.
Jedenfalls hatten wir es überstanden. In diesem ehemaligen Museum würden keine Selbstmorde mehr geschehen oder befohlen werden, das standfest. Wir hatten den Bau verlassen und sahen über uns einen Himmel, der mit dichten Wolken überzogen war. Es konnte sein, dass es bald regnete. Doch das war alles unwichtig geworden.
Patrick Füller stand ein wenig abseits. Er wirkte wie jemand, der nicht mehr richtig bei sich war, und starrte ins Leere.
Ich ging auf ihn zu. Er sah mich und schüttelte den Kopf.
»Meine Güte, was habe ich getan?«
»Nichts, Mister Füller. Seien Sie froh, dass Sie nichts getan haben. Sie leben noch.«
Er fasste an seinen Hals. »Aber diese Spuren werden so leicht nicht verschwinden.«
»Da könnten Sie recht behalten. Nehmen Sie es einfach als Mahnung oder Warnung.«
»Ja. Aber pleite bin ich trotzdem.«
»Kann sein. Aber Sie haben trotzdem gewonnen. Sogar den Hauptpreis.«
»Und was ist der?«
»Ihr Leben«, sagte ich. »Nicht mehr und nicht weniger…«
ENDE
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