1678 - Das Selbstmord-Haus
ich dir nicht sagen. Irgendwas läuft da völlig anders. Ich denke auch an den Begriff Tempel. Da fällt mir dann das Wort Sekte ein. Es kann sein, dass er sich einer derartigen Organisation angeschlossen hat. Sie ist das glatte Gegenteil zu seinem kalten, nüchternen Zahlenjob. Auch ein Banker braucht Abwechslung.«
Sheila nickte. »Das hat man ja auch gelesen. Von wilden Partys und noch mehr.«
Bill nickte nur, stand dann auf und drehte sich zur Wohnzimmertür um. Sie war halb zugefallen, deshalb konnte er zwar den Flur überblicken, aber nicht den gesamten Bereich hinter der Eingangstür.
Sheila fiel das Verhalten ihres Mannes auf. »Ist etwas, Bill?«
Er nickte. »Ich wundere mich, dass wir von Helen nichts mehr gehört haben.«
»Die wird noch kommen.«
Damit sollte Sheila recht behalten. Sie kam und auch ihre Schritte waren zu hören. Allerdings klangen sie nicht normal, sondern unregelmäßig. Bill riss die Tür auf.
Helen stand schon dicht davor. Sie hielt sich aufrecht und hatte ihren Mund halb geöffnet, sodass der dünne Blutfaden auffiel, der aus dem linken Winkel rann und bereits eine rote Spur auf dem Kinn hinterlassen hatte…
***
Es war der Moment, in dem Bill das Gefühl hatte, sich in einen Eisklumpen zu verwandeln. In den nächsten Sekunden brachte er kein Wort heraus und er reagierte erst, als Helen einen schweren Seufzer ausstieß, sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und dicht vor dem Reporter zusammenbrach.
Bill fing sie im letzten Augenblick auf und zog den schlaffen Körper in den Wohnraum. Auch Sheila hatte nichts mehr in ihrem Sessel gehalten. Sie sprang hoch und sie sah das, was ihrem Mann nicht aufgefallen war. Ihre Stimme überschlug sich, als sie rief:
»In ihrem Rücken steckreih Messer!«
Bill zog die Frau weiter. Dann schielte er über ihre rechte Schulter und sah den Griff der Waffe, der aus dem Rücken ragte.
Er war es gewohnt, schnell zu handeln. In diesem Fall aber lief alles anders. Der Schock hielt ihn noch umklammert und Bill wollte die Frau auch nicht auf den Boden legen, sondern schleifte sie zu einem Sessel, über deren Lehnen er sie quer legte, weil eine sitzende Stellung das Messer sonst tiefer in den Körper gedrückt hätte. Dann warf er einen Blick auf Sheila und bat sie, sich um Helen Snider zu kümmern. Er wusste, dass diese Waffe nicht von allein durch die Luft geflogen war. Jemand musste sie geschleudert haben, und den wollte Bill finden.
Er musste zurück in den Flur und dann…
Nichts ging mehr. In der offenen Tür erschien der Messerwerfer. Bill sah sich einem Mann gegenüber, den er noch nie im Leben gesehen hatte. Er trug einen weißen Anzug. Seine Haut war ebenfalls recht blass, aber er hielt eine weitere Waffe in der Hand. Bill fiel zudem auf, dass er fast tote Augen hatte.
»Wer sind Sie?« Bill wollte ihn ablenken.
»Ich bin der Wächter.«
»Toll. Und worüber wachen Sie?«
»Ich stehe am Eingang zum Totenreich.«
»Ist das der Tempel?«
»Du weißt viel.«
»Klar und ich…«
»Du weißt zu viel«, wiederholte der Fremde. Er hob seinen rechten Arm, um das Messer auf den Reporter zu schleudern…
***
»Hätten wir die Frau nicht anrufen sollen?«, fragte Suko und krauste die Stirn.
»Ja, hätten wir. Aber ich liebe auch Überraschungen.«
»Wie du meinst.«
Die Adresse Larry Sniders hatten wir schnell herausgefunden und wussten auch, dass er verheiratet war. Seine Witwe lebte in einer Eigentumswohnung in einem der neuen Häuser nicht weit vom Hafen und dem Strom entfernt.
Ich hatte mich bei seinem ehemaligen Arbeitgeber erkundigt, einer Investmentbank. Da war man kooperativ gewesen.
Wir erreichten unser Ziel, wo wir mit unserem Rover in eine Tiefgarage hätten fahren können, doch darauf verzichteten wir. Wir stellten ihn vor dem Eingang mit der Glastür ab und betraten wenig später das elegante Haus. Wir kamen nur zwei Schritte weit. Von irgendwoher tauchten zwei Sicherheitsbeamte auf, die sich uns in den Weg stellten.
»Haben Sie den Wagen dort abgestellt?«
Ich bejahte die Frage.
»Fahren Sie sofort weg und…«
Er sah plötzlich meinen Ausweis und wurde still. Auch sein Kumpel tat nichts.
»Alles klar?«
Sie nickten.
»Dann lassen Sie uns jetzt durch.« Ich hatte bereits die Anmeldung ins Auge gefasst. Uns wurde Platz gemacht.
Der Typ hinter der Anmeldung versuchte zu lächeln. Es wurde mehr eine Grimasse. Seine Frage wehte uns entgegen. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Sicherheitshalber zeigte
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