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168 - Das fremde Leben

168 - Das fremde Leben

Titel: 168 - Das fremde Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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letzte Kraft kosten. »Sollte es sie tatsächlich geben, diese so genannten Schöpfer, dann wird ihnen das Lachen nach diesem Krieg wohl vergangen sein«, murmelte er.
    Gilam'esh wusste darauf nichts zu antworten. Dass ihm jemand den traditionellen Gruß verweigerte, hatte er noch nie erlebt. »Ich weiß, warum du zu mir kommst, Gilam'esh von Tarb'lhasot.« Leg'wanot sprach mit tonloser Stimme. »Du willst das Geheimnis jener Strahlenwaffe erfahren.« Gilam'esh bestätigte mit einer Geste. »Hat dich sehr beeindruckt, was? Ist auch beeindruckend. Verheerende Wirkung, verheerend…« Er seufzte. »Hätten uns die Westbarbaren nur den vierten Teil eines Umlaufs länger Zeit gelassen, wir hätten zumindest noch die Städte in den Hängen des Steilen Sunds damit ausgerüstet. Aber wer konnte denn ahnen, dass ein Hydreevolk ein anderes ausrotten will?« Er ließ die Schultern hängen und senkte den Kopf.
    Gilam'esh drehte sich nach Wanil'ama um. Sie lehnte gegen einen Maschinenblock, hatte die Augen geschlossen und bewegte stumm die Lippen. Wie halb tot kamen ihm beide vor.
    Wundert dich das? Die innere Stimme des Maddrax-Geistes drängte sich in seine Gedanken. Sie sind doch wirklich halb tot, buchstäblich. Ihr Volk ist am Ende.
    Neben der Plattform vor Leg'wanots Sessel blähte sich der Boden auf. Eine Kugelform bildete sich, ein dreidimensionales Sichtfeld. In ihm trieben die Kadaver von Pelz-Wulrochs und toten Patrydree. »Pass gut auf, mein junger, tapferer Gilam'esh«, sagte Leg'wanot.
    Die Kugel wuchs, bis sie einen Durchmesser von etwas mehr als einer Länge erreicht hatte. Im Zentrum der dreidimensionalen Darstellung trieb jetzt ein Patrydree, der so ekelhaft aussah, dass Gilam'esh zurückzuckte. Seine Lippen waren spröde und rissig und viel zu kurz, um die großen Kiefer vollständig zu verhüllen. Lücken klafften zwischen den Zähnen, und wahrhaftig: Die Lippenwüste des Quastenschuppigen waren so eingeschrumpft und kurz, dass es aussah, als würde er grinsen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, die Quastenschuppen auf seinen Wangen, seiner Stirn und seinem Hals waren fast durchsichtig, und sein Scheitelkamm hatte die schmutziggraue Farbe alten Wulrochkots.
    »Was siehst du, Gilam'esh?«, fragte Leg'wanot.
    »Einen… einen alten Patrydree.«
    »Wie alt?«
    »Nun, ich… ich würde … ich würde sagen, älter noch als seine natürliche Lebensspanne …« Gilam'esh wusste nicht mehr, was er da von sich gab. Das abstoßende Bild in der Kugelmembran fesselte alle seine Sinne. »Er scheint mir … zu alt, um überhaupt zu einem der Hydreevölker zu gehören.«
    »Richtig. Er ist noch nach seinem Tod weiter gealtert, mein lieber Gilam'esh.« Leg'wanot sprach leise. Seine Augen waren geschlossen, er hatte den Kopf in den Nacken gelegt.
    »Ich verstehe nicht, verehrter Leg'wanot…« Gilam'eshs Stimme vibrierte. »Ich meine … was willst du mir sagen?«
    »Was siehst du?« Leg'wanot lächelte, ohne die Augen zu öffnen. Die Sicht, die das Kugelfeld bot, erweiterte sich.
    »Noch mehr Tote.«
    »Richtig. Und was glaubst du, wie lange sie schon tot sind?«
    »Lange. Sehr lange…«
    »So, so.« Leg'wanot schlug die Augen auf und sah den Jüngeren an. »Dabei haben sie doch gestern noch gegen uns und gegen die vereinigten Streitschwärme der Ditrydree gekämpft.«
    »Diese hier?« Gilam'esh glaubte den Maddrax-Geist raunen zu hören. Doch die vierzig Umläufe alte Stimme schwieg, sagte gar nichts. »Das sind…«
    »Das sind Westbarbaren, die gestern vor den Toren unserer Stadt ums Leben kamen.«
    »Ich verstehe nicht… was willst du mir sagen, Leg'wanot…?«
    »Was glaubst du, ist mit ihnen geschehen?«
    »Diese… einer dieser rätselhaften Strahlen hat sie getroffen?«
    »Beinahe richtig. Jetzt bist du ganz nahe dran, Gilam'esh, ganz nahe…« Leg'wanot packte die Armlehnen seines Sessels, zog sich nach vorn und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Bildkugel. »Erinnere dich: Wer getroffen wurde, ist verschwunden. Diese hier sind selbst im Tode noch gealtert!«
    Gilam'esh wagte es kaum auszusprechen. »Du meinst… der Strahl hat sie uralt gemacht?«
    »So ist es, Gilam'esh von Tarb'lhasot. Diese hier gerieten in das Umfeld des Strahls. Sie sind also nicht verschwunden, sondern nur uralt geworden.« Leg'wanot ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und schloss die Augen.
    »Ein Zeitphänomen!«, flüsterte Gilam'esh – und spürte, wie auch der Maddrax-Geist in ihm erschauderte. »Diese trüben

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