1680 - Moira
dich ausgibst, und er behauptet, selbst der wahre Manax von Bruillan zu sein. Er besteht darauf, in einer Gegenüberstellung den Beweis seiner Anschuldigung erbringen zu dürfen. Wegen des Ernstes dieses Vorwurfes muß ihm diese Bitte gewährt werden."
Unter den Zeremoniengästen erhob sich ein kaum zwei Meter großes, eher schwächlich gebautes Wesen. Der Ankläger kam auf die Empore und stellte sich dem angeblich falschen Manax von Bruillan gegenüber. Er wies mit einem Tentakel auf den über 2,70 Meter großen, muskelbepackten Riesen und sagte anklagend: „Das ist der Söldner, der sich mir verdingt und an meiner Seite gegen die Zreyaren gekämpft hat. Er nannte sich damals Moira. Nach der Schlacht stellte er mir im Schwarzen Loch Kynnied eine Falle und glaubte, ich sei darin umgekommen. Dann nahm er meine Identität an und glaubte, damit leichtes Spiel zu haben, weil niemand das Aussehen derer von Bruillan kennt. Aber Moira hat sich verrechnet. Dieser hinterhältige .Söldner wußte nicht, daß ich am Leben geblieben war und dem Ruf von Terak Terakdschan folgen würde."
„Was hast du zu diesem schweren Vorwurf zu sagen, Beschuldigter?" fragte die Stimme des Domherrn. „Es ist genau umgekehrt", log Moira. „Ich bin Manax von Bruillan, und das hier ist Moira."
„Es steht Wort gegen Wort", sagte Terak Terakdschan. „Kann einer der beiden Kontrahenten den Beweis seiner Identität erbringen?"
„Das fällt mir nicht schwer", erwiderte Manax von Bruillan. Als er diesmal in die Runde blickte und seine Stimme erhob, so daß alle Zeremoniengäste ihn hören konnten, wirkte er auf einmal gar nicht mehr so klein und schmächtig neben Moira. „Jedermann weiß, daß wir Bruillans in gesicherten Dimensionsfalten leben, zu denen nur Angehörige unseres Geschlechts Zugang haben. Nicht einmal Moira ist es gelungen, den Kode zu entschlüsseln und zu meiner Burg vorzustoßen, obwohl er es Dutzende Male versucht hat. Darum schlage ich vor, jeden von uns in ein Dimensionsgefängnis zu sperren. Jener, dem es gelingt, dort auszubrechen, soll fortan unangefochten als Manax von Bruillan gelten."
„Das ist ein weiser Vorschlag. So soll es geschehen."
Man ließ Moira keine Chance, sich diesem Urteil durch Flucht zu entziehen. Denn den Waffen der Porleyter, die man gegen sie einsetzte, war nicht einmal sie gewachsen.
*
Wie Manax von Bruillan es vorausgesagt hatte, gelang es Moira nicht, aus dem Dimensionsgefängnis auszubrechen. Was sie auch versuchte, sie konnte die Barriere nicht durchdringen. Man hatte ihr zwar den Kampfanzug gelassen, aber nicht einmal mit dessen Geräten war es ihr möglich, eine Strukturlücke zu orten oder gar zu schaffen.
Ihr Gefängnis hatte die Fläche von fünf mal drei Kilometern und war, wie sie bei der ersten Erkundung feststellte, in fünf Ebenen unterteilt. Für Moiras leibliches Wohl war vorgesorgt.
Die Dimensionsfalte wurde ausreichend mit Atemluft versorgt, es gab eine vielfältige Fauna und Flora, und auf der obersten Ebene lernte sie drei weitere Mitgefangene kennen. Aber kaum hatte sie sich mit ihnen angefreundet, starben sie, ohne ihr Zutun, auch schon wieder.
Von einem von ihnen, einem quallenhaften Skieffer namens Yemeg, erfuhr sie, daß Manax das Gefängnis gelegentlich besuchte, um nach den Gefangenen zu sehen. Dabei sorgte er allerdings für umfangreichen Schutz, so daß an ihn garantiert nicht heranzukommen war. „Kann er sich aber auch ausreichend gegen mich schützen", fragte Moira hoffnungsvoll.
Er konnte. Es dauerte 100 Jahre, bis Manax Moira zum erstenmal besuchte. Sie mußte sofort einsehen, daß an ihn nicht heranzukommen war. Von ihm ging eine Strahlung aus, die Moira ruhigstellte und gleichzeitig ihre Denkprozesse störte. Wenn sie ihm näher als 50 Meter kam, konnte sie tatsächlich keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Er verhöhnte und beschimpfte sie aus der Distanz und versprach ihr, daß sie hier nicht lebend herauskommen würde.
Als er 500 Jahre später wiederkam, wunderte er sich schon darüber, sie nicht tot vorzufinden.
Er nannte sie, da sie ihm verraten hatte, welchen Geschlechts sie war, ein „zähes Luder".
Beim nächsten Besuch nach weiteren 300 Jahren wunderte er sich nicht mehr über ihre Langlebigkeit. Und als er dann 1000 Jahre später wiederkam und sie in alter Frische wiederfand, nahm er wohl an, daß sie unsterblich sei. „Wann können wir über meine Entlassung sprechen?" sprach ihn Moira bei einem seiner Besuche nach rund 10.000
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