1681 - Tödliche Fata Morgana
Lamellen sickerte das Licht in Streifen in unser Büro.
War dieser Bandur die Tür, die wir öffnen mussten, um an Amara heranzukommen?
Es konnte sein, musste aber nicht. Jedenfalls durften wir uns die Chance nicht entgehen lassen. Eine andere gab es leider nicht.
Suko sah meinem Gesicht an, dass ich nachdachte. Deshalb sprach er mich auch nicht an.
Tatsächlich drehten sich meine Gedanken um diese Amara, die für mich bisher ein Rätsel war. Sie hatte mir bestätigt, dass sie aus dem alten Ägypten stammte. Schon oft hatte ich mit Fällen zu tun gehabt, die die Vergangenheit dieses Landes berührten, aber der Name dieser Person war mir noch nie untergekommen.
Allerdings musste sie sehr mächtig gewesen sein. Möglicherweise hörte sie einer besonderen Kaste an, die sich in der Nähe der Pharaonen-Gattinnen bewegte oder auch nicht weit von den mächtigen Hohepriestern entfernt, die ein großes Wissen besaßen, von dem Amara profitiert hatte.
Dann gab es noch diesen Libanesen. Ich konnte mir vorstellen, dass er Kontakt zu dieser seltsamen Erscheinung aufgenommen hatte. Wenn er ein Mann mit den Beziehungen und auch genügend Geld war, dann musste es für ihn kein Problem sein, den Sarkophag aus dem Land zu schmuggeln, in dem Amaras Körper vermutet wurde. So weit, so normal.
Aber jetzt kam das Unnormale hinzu. Amara als Fata Morgana, die alles anders als friedlich war. Genau da mussten wir einhaken, und ich fragte mich, ob der Libanese überhaupt etwas von der Macht dieser Frau gewusst hatte. Sie war tot. Zumindest körperlich. Aber ihr Geist war unterwegs und er war höllisch gefährlich für Menschen, die ihm im Weg standen.
Ich wollte zur Tasse greifen, um den Rest des Kaffees zu trinken. Das schaffte ich nicht. Mein rechter Arm war plötzlich schwer geworden. Ich saß auf dem Stuhl und war kaum in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Etwas war auf mich zugekommen, und der Beweis wurde mir durch mein Kreuz geliefert. Es hatte sich auf seine spezielle Weise gemeldet. Es strahlte keine Wärme aus, aber es schien sich auf das Andere eingestellt zu haben.
Das Kreuz machte den Weg frei. Und zwar den Weg zu ihr. Zu keinem Menschen, sondern zu einer Person, die durchaus den Namen feinstofflich verdiente, sich in meiner Nähe aufhielt, aber für mich nicht sichtbar war. Ich spürte sie. Auch wenn es nicht so aussah, ich kam mir irgendwie vor wie in einem Gefängnis. Man hatte mir meine Handlungskraft genommen. Sekunden später wehte die neutrale Stimme durch meinen Kopf. Obwohl nur sehr leise gesprochen wurde, war ich in der Lage, jedes Wort zu verstehen.
»Niemand stört meine Totenruhe. Niemand vergreift sich an meinem Körper. Ich bestimme über mich. Und wer es trotzdem tut, den werde ich vernichten.«
Das war eine klare und deutliche Aussage. Aber war es auch eine Warnung gewesen?
Das wollte ich gern erfahren und stellte gedanklich die Gegenfrage.
»Gilt das auch für mich?«
»Für alle, die mir im Weg sind.«
»Also auch Sahib Bandur?«
»Den habe ich mir für den Schluss aufbewahrt. Er wird einen besonderen Tod finden.«
»Du wirst ihn verbrennen?«
»Ja, aber erst später, zuvor werde ich ihn Höllenqualen leiden lassen.«
»Was hat er denn so Schlimmes getan?«
»Das sagte ich dir bereits, als ich dich in deiner Wohnung aufgesucht habe. Er wagte es, die Ruhe der Toten zu stören. Aber er hat nicht damit gerechnet, wie mächtig auch Tote noch sein können.«
Das war wohl wahr. Ich glaubte dem Geist der Amara jedes Wort. Für viele Ägypter war es ein Verbrechen, wenn Fremde sich in ihre Geschichte einmischten und die Ruhe der Toten störten. Das nahm oftmals ein böses und grausames Ende. Ich wollte noch Fragen stellen, was ich nicht mehr schaffte, dehn ich spürte, dass die Normalität in meinen Körper zurückkehrte. Ich war wieder voll da, schüttelte mich und hob meinen Blick leicht an.
Erst jetzt sah ich, dass Suko mich fixierte. Er schüttete den Kopf und fragte: »Hattest du Probleme in den vergangenen Sekunden?«
»Wie kommst du darauf?«
»Du hast so anders ausgesehen.«
»Ach ja?«
»Wie ein Mensch, der weggetreten ist. Du bist förmlich nach innen gesackt.«
»Ja, ich weiß.«
Suko sagte mit leiser Stimme: »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht und war bereit, einzugreifen.«
»Das wäre falsch gewesen.«
»Gut. Dann kannst du mir sicher sagen, was in dieser Zeit mit dir passiert ist.«
»Ich hatte Besuch.«
Suko wusste nicht, ob er nach dieser Antwort grinsen
Weitere Kostenlose Bücher