1681 - Tödliche Fata Morgana
war, das konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Kein normaler Mensch, das stand fest. Ein Geist? Dahin tendierte ich und ich hatte auch nicht vergessen, wie die Frau genau ausgesehen hatte. Man konnte bei ihr nicht von einer normalen Kleidung sprechen. Dem Aussehen nach sah sie nicht aus wie eine Mitteleuropäerin, ich tendierte da eher zum Orient. Hinzu kam das rätselhafte Verhalten meines Kreuzes. Auf der Fahrt hatte ich nachgeschaut, ohne dass mir etwas aufgefallen wäre. Es hatte sich nicht verändert, es war auch nicht wärmer geworden, aber es hatte auf diese Erscheinung reagiert. Daran gab es nichts zu rütteln, und ich musste das Auftauchen dieser Person zunächst mal als negativ ansehen.
Als ich meine Wohnung betrat, war es gut eine Stunde vor Mitternacht. Den Abend hatte ich nicht privat verbracht, sondern dienstlich. Von meinem Chef, Sir James, war ich dazu verdonnert worden, mir einen Vortrag anzuhören. Dort berichteten Experten von den neuesten Ermittlungsmethoden, und ich musste zugeben, dass es sehr interessant gewesen war, auch wenn ich bei meinen Fällen nicht unmittelbar damit zu tun hatte.
Dass mir auf dem Weg nach Hause das Schicksal mal wieder einen Streich spielen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Es konnte auch Zufall gewesen sein. Nur gehörte ich zu den Menschen, die nicht so recht an Zufälle glaubten.
Auch in der Dunkelheit herrschte draußen nicht eben ein kühles Wetter. Es war schwül und ich lechzte geradezu nach einer Dusche, bevor ich mich ins Bett legte. Dass ich mich am nächsten Tag mit dieser geheimnisvolle Erscheinung beschäftigen würde, lag auf der Hand. So etwas konnte ich einfach nicht laufen lassen. Die Dusche war herrlich. Sie spülte alles von mir weg, was es wegzuspülen gab, nur meine Gedanken nicht. Die hatten sich im Kopf festgehakt. Das Kreuz gab keine Antwort auf die Frage. Müde fühlte ich mich nicht. Ich zog mir den hellgrauen Bademantel über und betrat den Wohnraum. Dort ließ ich mich in einen Sessel fallen und nahm mir das Kreuz noch mal vor.
Auch jetzt entdeckte ich äußerlich keine Veränderung. Eine Wärme war ebenfalls nicht vorhanden. Kein Leuchten, kein Funkeln auf dem Silber.
Das war vor einiger Zeit noch anders gewesen. Da hatte ich diese Fata Morgana gesehen, wie sie Luke Stadler genannt hatte. Ob ich mich mit dem Gedanken anfreunden konnte, war fraglich, doch ich war überzeugt davon, dass ich diese Erscheinung nicht zum letzten Mal gesehen hatte.
Warum hatte sie sich ausgerechnet bei diesem Mann gezeigt? War das Zufall gewesen oder steckte dahinter ein bestimmter Grund? Ich hatte keine Ahnung und war gespannt darauf, was er mir am Morgen zu sagen hatte.
Dann spielte ich auch mit dem Gedanken, ihn anzurufen. Den Vorsatz ließ ich wieder fallen - und schrak zusammen, als ich etwas ganz anderes erlebte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Noch immer hielt ich mein Kreuz in der Hand, als mir etwas auffiel, denn um ein bestimmtes Zeichen herum flimmerte es.
Ich starrte auf das Allsehende Auge und sah, dass es in seinem Innern leicht strahlte. Grundlos geschah das nicht. Etwas musste es ausgelöst haben. Vielleicht war etwas unterwegs, was ich nicht gesehen hatte. Aber ich war gewarnt und konnte mir auch nur eine Erklärung vorstellen, die ich mit Spannung erwartete. Das Warten dauerte nicht lange.
Vorher gab es eine Veränderung. In der Luft zeichnete sich etwas ab. Es tanzte dicht über dem Boden, und ich hatte das Gefühl, etwas Fremdes zu riechen. Gleichzeitig wurde ich abgelenkt, denn die Erscheinung bekam plötzlich ein Gesicht oder ein Aussehen.
Es war die Frau von der Straße, die jetzt wie vom Himmel gefallen mitten in meiner Wohnung stand…
***
Eigentlich kam ich mir lächerlich vor. Nur mit einem Bademantel bekleidet saß ich in einem Sessel und starrte auf die Gestalt, die für mich noch nicht erklärbar war. Die Frau sah um keinen Deut anders aus als bei unserer ersten Begegnung, aber ich sah jetzt das Stirnband mit der hellen Perle im Zentrum. Die anderen Teile des Bandes verschwanden im dichten langen Haar.
Was wollte sie?
Im Laufe der Jahre hatte ich ein Gefühl für Gefahr bekommen, das sich in bestimmten Situationen meldete. Das war hier nicht der Fall. Ich hatte nicht den Eindruck, in Gefahr zu sein, und war sogar gespannt darauf, was die andere Seite von mir wollte. Noch gab es keine Kommunikation zwischen uns. Ich fragte mich, ob sie überhaupt stattfinden würde.
Diese Frau war mir so fremd. Ich konnte mir
Weitere Kostenlose Bücher