1687 - Fremde auf Titan
Zwei will nur wissen. Alles, was er nicht verstehen kann. Er ist wie ein Kind.
Allerdings sehr viel intelligenter. „Wer bin ich, Perry Rhodan?"
„Du bist Zwei."
„Nein, ich möchte, daß du mir meine Funktion erklärst. Oder meine Stellung in der Gruppe, zu der wir beide gehören."
„Das kann ich nicht. Laß dir selbst etwas Zeit. Es gibt viele andere Dinge zu lernen."
„Wo bin ich hier?"
„Auf einem Raumschiff", antwortete Rhodan unbewegt. Er sah keine Gefahr darin, Zwei diese Wahrheit zu sagen. „Ein sehr kleines Schiff; es trägt den Namen PAVO."
„Was ist ein Raumschiff?"
„Der PädRob wird es dir erklären, sobald dein Weltbild weit genug ausgebildet ist. Zunächst mußt du lernen, was der Weltraum ist, die Planeten, die Sonne, die Schöpfung ... Zuviel für meinen kurzen Besuch."
„Ich erinnere mich nicht an die Vergangenheit. Als ich in diesem Raum erwachte... Das ist der erste Eindruck. Was ist geschehen?"
„Auch darüber kann ich noch nicht sprechen", gab Rhodan bedauernd zurück. „Gibt es überhaupt etwas, das du mir sagen wirst, Perry Rhodan?"
Bitterkeit? Vorwurf? Nein, nur eine neugierige Frage. Spontan entschloß sich Rhodan, den Informationsriegel in zumindest einem Punkt zu brechen. „Vorhin sagtest du, Zwei sei kein Name. Du hast zumindest in einer Hinsicht recht. Zwei ist Name und Bezeichnung zugleich. Der eine, der vor dir kam, trägt den Namen Eins."
Wieder traten die Augen hervor, und diesmal wohnte der Gier eine ganz bestimmte Richtung inne. „Bringe mich mit Eins zusammen. Ich weiß, daß ich ihn sehen muß."
„Muß?" Rhodan hob fragend die Augenbrauen. „Ja. Alles, was gewesen ist, liegt für mich im dunkeln. Aber eines weiß ich: Es ist ungeheuer wichtig, daß ich Eins begegne."
„Warum wichtig?"
„Weil ich dann einen Bezugspunkt hätte. Diese Räume sind kalt und fremd. Wenn es jemanden gibt, der so ist wie ich, dann ist er das Wichtigste auf der Welt."
Kein Wunder, daß Nummer Zwei so redet. Er weiß nicht einmal, was das ist, die „Welt".
Mit einemmal wirkte das Geschöpf so verlassen wie vorhin. Mitleiderregend, und trotz des schmalen, ausgewachsen männlichen Gesichts wie ein Kind. Der Blick war unstet, in jeder Sekunde auf der Suche nach Eindrücken. Als ein schweigender Perry Rhodan ihm die nicht mehr bieten konnte, irrte sein Blick über die kahlen Wände ab.
Rhodan erhob sich und ließ das Spindelwesen mit dem PädRob zurück. Erstaunlich, dachte er, wie gut sich Zwei hatte ausdrücken können.
Während der folgenden Stunden und Tage beobachteten sie genauestens seine Entwicklung.
Er und Alaska Saedelaere waren die vorerst einzigen Menschen, die das Wesen zu Gesicht bekam. Nach drei Tagen beherrschte Zwei sowohl Interkosmo als auch Terranisch besser als jeder Mensch. Weitere drei Tage brauchte der PädRob, ihm die Geheimnisse menschlicher Philosophie, das tägliche Leben und menschliche Wertvorstellungen beizubringen.
Aber ob Zwei wirklich zwischen Gut und Böse zu unterscheiden lernte - das wußte keiner.
Am 21. Mai wurde das Experiment endgültig für gelungen erklärt. Zwei galt als völlig ungefährlich, anders als das Wesen von der CHIMAIRA. Und Myles Kantor als der offiziell Verantwortliche ließ auf Titan eine weitere Kabine vorbereiten. Sie lag direkt neben der von Nummer Eins, dem Haluter. So hatten sie beide zusammen. Und keiner von beiden ahnte, daß der andere so nahe war.
*
„Wir stellen uns die Frage", sagte Kantor, „weshalb Zwei so geraten ist, wie wir ihn sehen.
Deutlich mehr als fünfzig Prozent der Besatzungsmitglieder an Bord der PAVO waren weiblich. Zwei aber hat ein männliches Geschlecht angenommen."
„Ich halte das für Zufall", gab Paula Cganda zurück. Und sie setzte hinzu: „Ich bin allerdings keine Genetikerin. Die Meinung eines Laien, so gesehen."
Myles Kantor nahm eine unruhige Wanderung durch den Raum auf. Dabei hatte sie ihn mehrfach beobachtet, eigentlich immer, wenn sie ihn zu Gesicht bekam. Das war in diesen Tagen häufig. Auf ihren fachlichen Rat gab er einiges, und Paula freute sich sehr darüber.
Kantor blieb plötzlich stehen. „Wer sagt uns eigentlich, daß sich Zwei sein Geschlecht nicht ausgesucht hat?"
Ungläubig schaute sie den Wissenschaftler an. Den berühmten Myles Kantor - der ganz offenbar imstande war, zuweilen den größten Unsinn zu reden. „Erstens hat das Bewußtsein dieses Wesens noch gar nicht existiert, als der Genpool herangezogen wurde ..."
„Wie kannst du das
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