1687 - Fremde auf Titan
sagen?" fragte er. „Wir wissen doch gar nicht, woher das Bewußtsein kommt."
„Ich ..." Sie zog die Schultern hoch. „Es schien mir offensichtlich. Außerdem gibt es ein weiteres Argument. Zwei hat keinen Vorteil davon, wenn er ein männliches Geschlecht wählt.
Also, warum sollte er?"
„Jaja", meinte Kantor grübelnd. „Aber das Geschöpf, das nach dem CHIMAIRA-Experiment starb, war auch männlich."
„Was ist mit dem halutischen Wesen?"
„Gar nichts. Haluter sind eingeschlechtlich. Männlich oder weiblich gibt's bei denen nicht."
„Ich bin sicher, wenn wir noch mal zehn Experimente wagen, erhalten wir fünf männliche und fünf weibliche Wesen." Paula lachte, verstummte aber, als sie sein grimmiges Gesicht sah. Dennoch behauptete sie: „Du bist auf dem falschen Weg. Das Geschlecht ist bedeutungslos."
„Es geht nicht um das Geschlecht allein. Ich möchte, daß du dir über das Problem der Normalverteilung Gedanken machst. Zwei sieht wie völliger Durchschnitt aus. Aber stimmt das? Oder denken wir es bloß? Vielleicht ist er völlig ungewöhnlich, und wir sind nur zu blind, es zu merken."
Paula machte sich noch am selben Tag an die Arbeit. Die einzige war sie nicht, denn mindestens fünf oder sechs Personen befaßten sich parallel mit der Sache. Kantor legte Wert darauf, Resultate aus möglichst verschiedenen Blickwinkeln zu erhalten.
Körperlich entsprach Nummer Zwei tatsächlich einem gewissen Durchschnitt. Das betraf Gewicht, Hautfarbe, Größe, Verhältnis von Rumpf zu Gliedmaßen, Kopfumfang -und tausend andere Maße. Die Abweichungen, die es gab, führte sie auf die geringe Zahl von Personen im Genpool zurück. Jedoch war es unmöglich, zum Beispiel die Haarfarbe auf eine bestimmte Person zurückzuführen. Jeder Mensch brachte eine Fülle von Erbanlagen mit. Die Kombinationsmöglichkeiten reichten gegen Unendlich.
Paula dachte sich ein Programm aus, das sie mit Hilfe des PädRob und der Syntronik durchführte. Sie testete die Reaktion des Spindelwesens auf bestimmte Störfaktoren. So ließ sie wiederholt das Licht flackern, während Zwei in tiefem Schlaf lag. Das Spindelwesen regte sich leicht, zuckte mit den Lidern, erwachte aber nicht. Im Lauf der Tiefschlafphase fügte sie Geräusche hinzu, einmal sogar einen bitteren Duft. Die Reaktion hielt sich absolut im Rahmen. Es schien sogar, als baue Zwei die Ereignisse in seine Träume ein.
Den PädRob ließ sie öfters Worte sprechen, die Zwei garantiert nie vorher gehört hatte. Sie machte die ganze Palette aus: vom Schulterzucken bis zum Versuch, die Wissenslücke zu überspielen.
Jeder einzelne Versuch fiel normal aus. Eine Ausnahme stellte die unglaubliche Auffassungsgabe dar, aber die kannten sie schon zur Genüge. „Ich finde nichts", sagte sie Kantor gegenüber, „was Zwei vom Durchschnitt abhebt.
Allerdings sind die Möglichkeiten beschränkt. Solange wir ihn nicht mit anderen Menschen zusammenbringen ..."
Sie zuckte mit den Achseln. „Vergiß es, Paula", bremste er sie. „Aber es wird dich interessieren, daß alle Fachleute zum selben Ergebnis kommen. Die Sache ist sozusagen amtlich. Zwei ist völliger Durchschnitt.
Hätte er auf die Zusammensetzung der Erbanlagen Einfluß nehmen können, er hätte wahrscheinlich nur die besten gewählt. So aber hat er alles mögliche an sich."
Paula lächelte. „Die Natur hat mit dem Menschen ein perfekt lebensfähiges Wesen entwickelt. Welchen Grund gibt es, daran herumzupfuschen?"
Myles Kantor gab keine Antwort.
Das Problem „Nummer Zwei" jedoch beschäftigte sie weiterhin. Zum Schluß schaute sie die medizinischen Unterlagen durch. Sie stellte fest, daß außer dem Medocheck an Bord der PAVO keine Daten vorlagen. Zwei besaß einen starken Kreislauf und neigte zu Altersdiabetes. Ein „angeborener" Sehfehler würde in etwa zwanzig Jahren eine Augenkorrektur notwendig machen. Und diese Erkenntnisse waren schon die aufregendsten.
Abgesehen von einem winzigen Detail, dem niemand Bedeutung beimaß: Das Spindelwesen ließ sich schwer durchleuchten. Die Medoroboter hatten doppelt so viel Energie wie sonst auf die Taster geschickt - und erst dann ein Bild des Körperinneren erhalten
5.
Weißes Rauschen „Wir haben nicht die geringste Ahnung", faßte Rhodan zusammen, „worin das Geheimnis von Nummer Eins oder Nummer Zwei liegt. Beide wissen nichts über ihre Herkunft, nichts über ihre Bestimmung. Und daß wir sie aus der Großen Leere geholt haben, 225 Millionen Lichtjahre
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