1692 - Das Denkmal
fasste den Staubsauger an, um ihn in die kleine Diele zu stellen, aber sie verharrte mitten in der Bewegung.
Etwas stimmte nicht.
Etwas war anders geworden.
Ada konnte nicht sagen, was es war, aber sie fühlte sich plötzlich unwohl. Etwas hatte sich verändert.
Sie schaute sich um. Und plötzlich wusste sie, was sich verändert hatte. Es war der Geruch. Sie ging davon aus, dass etwas Fremdes eingedrungen war. Nur hatte sie niemanden gesehen, der diesen Geruch mitgebracht haben könnte. Er hatte eine gewisse Schärfe, die ihr fremd war. So etwas hatte sie noch nie gerochen.
Ihr wurde immer unwohler.
Dann ging sie zum Fenster und öffnete es, weil sie herausfinden wollte, ob der Geruch vielleicht von draußen in die Wohnung gedrungen war.
Nein, das war nicht der Fall.
Ada Wells schloss das Fenster wieder. Sie hatte sich vorgenommen, die Wohnung so schnell wie möglich zu verlassen, und sie wollte auch mit Shao über die Veränderung reden. Sie drehte sich um.
Genau in dem Augenblick hörte sie aus der Diele ein Geräusch. Sie hatte es nicht erkannt, aber für sie stand ab jetzt eines fest: Sie war nicht mehr allein in der Wohnung!
***
Wir wussten beide nicht, wie lange wir im Flur gewartet hatten. Jedenfalls waren wir froh, als Tanner in der offenen Tür erschien und uns zuwinkte.
»Wie geht es ihr denn?«, fragte ich, bevor wir das Schlafzimmer betraten.
Tanner verzog den Mund. »Nicht besonders, das ist klar. Miss Higgins hat versprochen, sich zusammenzureißen. Ihr könnt ihr Fragen stellen.«
»Aber du bist mit dabei«, sagte ich.
»Klar.«
Prissy Higgins saß auf dem Bett. Sie hatte uns das Profil zugewandt und schaute auch nicht auf, als wir den Raum betraten. Wir hörten, dass sie die Nase hochzog, und es war Tanner, der sie mit leiser Stimme ansprach.
»Meine beiden Kollegen sind jetzt hier. Dürfen sie ihre Fragen nun stellen?«
Sie nickte. Langsam drehte sie sich um, damit sie uns anschauen konnte.
»Ich habe ihr eure Namen gesagt«, flüsterte Tanner uns zu.
»Gut.« Ich nickte. Die ersten Worte hatte ich mir bereits zurechtgelegt und sagte ihr, dass es uns leid tat, was mit ihrem Mann geschehen war.
Sie hob die Schultern, dann sagte sie: »Wir waren nicht verheiratet und haben nur zusammengelebt.«
»Aber sie waren schon ein Paar?«
»Nein.« Jetzt schaute sie uns aus den verweinten Augen an. »Wir waren kein Paar im sexuellen Sinne. Earl Simmons ist ein Cousin von mir gewesen. Wir haben uns nur zusammengetan, weil es für uns schlichtweg kaum möglich war, dass jeder eine eigene Wohnung finanziert. Das Doppelbett wurde hier wirklich nur zum Schlafen benutzt.«
Wir erkundigten uns nach verdächtigen Personen, nach Feinden, aber auch nach Freunden, die mehr wissen konnten.
»Earl und ich sind immer unsere eigenen Wege gegangen. Ich arbeite nur nachts. Earl ist am Tag unterwegs, so kommt es nur selten zu Zusammentreffen.«
»Was hat er denn beruflich gemacht?«, fragte Suko.
»Er verkaufte Zeitschriften in einer Buchhandlung. Oder in einem Laden, wo es alles Mögliche an Publikationen gibt. Ausländische Illustrierte.«
»Also war alles ganz normal.«
»Ja, Sir.« Sie tupfte mit einem Taschentuch Tränen aus ihren Augenwinkeln.
»Und trotzdem wurde er umgebracht.«
Sie hob die Schultern.
Niemand tötete einen Menschen grundlos. So erkundigte ich mich nach Earl Simmons’ Hobbys.
»Hobbys?«
»Ja.«
»Davon weiß ich nichts.« Sie überlegte kurz und sagte dann: »Aber Moment mal. Einmal in der Woche hat er sich seinen Abend genommen, wie er immer sagte.«
»Und was war das?«
»Ganz einfach, da ist er weggegangen.«
»Und wohin?«
Prissy Higgins lachte auf. »Wenn ich das wüsste, aber ich habe keine Ahnung.«
Das wollte ich nicht recht glauben. »Hat er denn Ihnen nicht gesagt, wohin er geht?«
»Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass er einen Pub besucht hat. Außerdem habe ich in der Nacht gearbeitet. Wenn ich nach Hause kam, lag er im Bett. Das war alles so normal, verstehen Sie? Daran hat man sich gewöhnt. Wir sind ja kein Ehepaar gewesen. Keiner musste dem anderen Rechenschaft über seine Aktivitäten ablegen. Dass man ihn umgebracht hat – ich – ich – kann mir kein Motiv denken. Earl war ein friedfertiger Mensch. Manchmal hat er sogar mit sich selbst gesprochen. Da hatte ich jedes Mal das Gefühl, dass er beten würde.«
»Wirklich?«
Prissy Higgins nickte. »Ja, so ist es mir vorgekommen. Er hat jedes Wort klar ausgesprochen, wenn auch mit einer recht
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