1692 - Das Denkmal
auf«, spottete er. »Wir haben die Chance, einen Killer zu stellen. Ein Phantom, das Menschen getötet hat. Das ist doch was.«
»Alles richtig. Wenn es sich denn zeigt.«
»Spürst du denn nichts?«
Ich bedachte Suko mit einem schrägen Blick. »Wieso? Sollte ich das denn?«
»Ich denke an dein Kreuz.«
»Nein, Suko. Es hat mir noch keine Warnung geschickt, und deshalb glaube ich, dass wir noch Zeit haben. Er bestimmt, wann es losgeht, und nicht wir.«
»Ja, und ich frage mich, warum er überhaupt kommen sollte. Wir haben ihm doch nichts getan. Wir sind nicht mit ihm aneinander geraten. Vielleicht interessiert er sich gar nicht für uns.«
»Kann auch sein. Aber ich denke, dass ihn der Informant herlocken will. Er ist derjenige, der ihn am besten kennt. Wahrscheinlich hat er ihn heiß gemacht.«
»Das ist auch möglich.«
Wir hatten mittlerweile die Brücke betreten. Rechts und links war sie bereits durch die beiden Geländerseiten eingefasst worden. Der Belag war noch nicht perfekt. Er bestand aus einer dunklen, körnigen, aber auch platt gefahrenen Masse, über die wir normal gehen konnten.
Niemand hatte uns gesagt, wie lang die Brücke war. Wir wollten etwa in der Mitte stehen bleiben und auf unseren Besucher warten. Uns war nicht bekannt, aus welcher Richtung er kommen wollte. Wenn er zu den abtrünnigen Engeln gehörte, dann war es durchaus möglich, dass er den Weg durch die Luft nahm. Deshalb legte ich auch hin und wieder meinen Kopf in den Nacken, um gegen den Himmel zu schauen, der allerdings kein anderes Bild bot als die uns bekannte Szenerie aus dicken Wolken.
Wir warteten. Während ich auf der Mitte der Fahrbahn stehen blieb, nahm Suko seine Wanderung auf. Er wechselte von Geländer zu Geländer, um von dort aus die Umgebung unter Kontrolle zu halten.
»Nichts!«, rief er und kam wieder auf mich zu. »Ich frage mich, John, wie lange wir noch hier warten sollen.«
»Bestimmt nicht bis Mitternacht.«
»Okay. Aber es wird schon dunkel.«
»Leider Pech für uns. Seine Chancen sind dann allerdings besser.«
»Es wäre ja toll gewesen, wenn sich unser Informant noch mal gemeldet hätte. So aber stehen wir auf dem Schlauch und müssen jemandem vertrauen, den wir nicht kennen.«
»Bist du sicher?«
Suko runzelte die Stirn. »Du nicht?«
»Das weiß ich eben nicht. Ich möchte mich auf keinen Fall festlegen. Der Informant kennt uns, und es ist durchaus möglich, dass auch wir ihn kennen.«
»Okay. Und warum hat er sich dann nicht identifiziert?«
»Das wird zu seinem Spiel gehören, in dem wir die Joker sein können.«
Suko lachte auf und schüttelte den Kopf. Seine Meinung war eine ganz andere.
»Ich kann mir vorstellen, dass er uns benutzt. Er hat uns nur vorgeschoben. Er ist raffiniert, er kennt alle Tricks und er weiß über uns genau Bescheid.«
»Dann lasse ich mich gern überraschen.«
Ob gern oder nicht, wir hatten keine Möglichkeit, selbst etwas in die Wege zu leiten. Die nächste Minute verging schweigend. Suko schaute in die eine Richtung, ich in die andere. So war es uns möglich, die Enden der Fahrbahn unter Kontrolle zu halten. Wir würden ihn sehen, wenn er dort erschien.
Ich sah auch zum Himmel. Das Spiel der Wolken hatte schon eine faszinierende Wirkung auf mich. Ich hatte den Eindruck, dass der Wind es nicht wollte, dass sich irgendwelche Wolken zu Bergen auftürmten. Bevor sie richtig mächtig wurden, sorgte ein scharfer Windstoß dafür, dass sie zerfetzten. Dann schimmerte wieder der blanke Himmel durch, der seine hellere Farbe allmählich verlor.
Lange blieben die Lücken nicht. Weitere Windstöße sorgten dafür, dass sie sich schnell wieder schlossen, aber eine Lücke blieb doch länger bestehen.
Genau dort tat sich etwas!
Der Spalt war breit genug, um die Erscheinung erkennen zu können, die dort plötzlich erschien. Es war eine Gestalt mit menschlichen Umrissen, die dort oben schwebte. Und weil sie das schaffte, musste ich davon ausgehen, dass es sich um ein Wesen handelte, das man durchaus als Engel bezeichnen konnte.
Auch Suko hatte ihn gesehen. Er gab seine Entdeckung mit emotionsloser Stimme bekannt.
»Ich denke, wir bekommen Besuch, John.«
Eine Antwort erhielt er nicht von mir. Ich war zu sehr damit beschäftigt, den Weg der Gestalt zu verfolgen, die tatsächlich nicht mehr in dieser Höhe blieb und von einem Augenblick zum anderen verschwunden war.
»War das eine Fata Morgana oder echt?«, fragte Suko.
»Ich würde eher auf echt
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