1692 - Das Denkmal
als wäre er in Gedanken versunken.
»Probleme?«, fragte ich.
»Irgendwo schon.«
»Und wie sehen die aus?«
Suko sprach die Antwort langsam aus. »Mir ist, seit ich den Toten gesehen habe, etwas durch den Kopf gegangen, das ich nicht mehr loswerde.«
»Und worum geht es?«
»Das ist ganz einfach. Ich denke da an den Toten. Er sah ungewöhnlich aus, aber das, John, ist für uns nicht neu gewesen.«
»Bitte?« Mit dieser Bemerkung hatte ich nicht gerechnet. »Wie kommst du darauf?«
»Nun ja, auch du hättest es eigentlich herausfinden müssen.«
»Und was ist dir aufgefallen?«
»Diese Verfärbung. Wir kennen sie. Wir haben sie schon mal erlebt. Und zwar bei einer Gestalt, die uns damals töten wollte.«
»Was heißt damals?«
»So zehn Jahre liegt es bestimmt zurück. Da gab es einen Engel namens Malloch, der uns vernichten wollte. Das war auf einer noch nicht fertiggestellten Autobahnbrücke. Und kannst du dich daran erinnern, wer uns damals zu Hilfe gekommen ist?«
O je, da hatte Suko ein Fass aufgemacht, über dessen Inhalt ich erst nachdenken musste. Aber ich erinnerte mich tatsächlich. Wir hatten gegen Malloch kämpfen wollen, aber Raniel, der Gerechte, war schneller gewesen und hatte uns den Fight abgenommen.
Suko sah meinem Gesicht an, dass ich mich erinnerte. »Du weißt Bescheid?«
»Jetzt schon. Aber ich weiß auch, was mit diesem Malloch passiert ist. Raniel hat ihn mitgenommen. Er hat ihn zuvor in ein steinernes Denkmal verwandelt und es irgendwo in einer fremden Dimension hingestellt.«
Suko nickte und fragte zugleich: »Ob es dort noch steht?«
»Du glaubst nicht daran?«
Suko verdrehte die Augen. »Mit dem Glauben ist das so eine Sache. Ich habe nicht vergessen, wie damals die Opfer von Malloch aussahen. So wie dieser Tote hier hinter uns im Haus.«
»Gut. Und weiter?«
»Das bringt mich auf den Gedanken, dass Malloch wieder frei ist und seine Untaten von Neuem beginnen und wir uns darauf einstellen können, wieder gegen ihn anzutreten …«
***
Ada Wells war alles andere als eine ängstliche Frau. Sie bezeichnete sich selbst als eine robuste Person, aber auch für sie gab es Grenzen. Und das zeigte sich in diesem Fall.
Die Furcht kroch in ihr hoch. Es war ein Gefühl, das sie nicht mochte und sie dazu verdammte, sich nicht zu bewegen. Obwohl sie sich vor dem fremden Geräusch fürchtete, lauerte sie darauf, dass es sich wiederholte. Das war bisher nicht geschehen, und auch in den folgenden Sekunden blieb es still.
Ada Wells war stolz auf ihre empfindliche Nase. Dieser Sinn hatte sie auch jetzt nicht verlassen. Sie saugte die Luft ein und achtete darauf, dass so gut wie kein Laut dabei entstand. Tatsächlich hatte sich die Luft verändert. Sie roch irgendwie anders, aber Ada hätte den Geruch nicht beschreiben können. Er war nicht intensiv, nur schwach, doch irgendwie widerlich. Als hätte jemand eine Vase mit vor sich hinfaulenden Pflanzen in die Wohnung gestellt.
Nicht nur die Angst hielt sie fest, auch ihr Denken war ausgeschaltet. Sie wusste nicht, was sie unternehmen sollte, und das war schlimm.
Hier stehen und abwarten, das brachte sie nicht weiter. Sie hätte die Wohnung gern so schnell wie möglich verlassen, aber dann hätte sie durch den kleinen Flur gemusst, um die Tür zu erreichen, und genau dort lauerte der Fremde oder das andere.
Dann fiel ihr ein, wer hier wohnte. John Sinclair. Ein Mann, der offiziell für Scotland Yard arbeitete, der jedoch einem Job nachging, über den sie eigentlich nichts wusste, weil er von einem Geheimnis umgeben war. Das jedenfalls hatte sie herausgefunden. Man munkelte im Haus darüber, denn auch hier waren schon Dinge passiert, über die man besser nicht laut sprach.
Das konnte jetzt wieder eingetreten sein, und je länger sie darüber nachdachte, desto stärker schlug ihr Herz. Sie stellte auch fest, dass ihr der Schweiß aus den Poren trat.
Sie wusste, dass sie nicht stundenlang auf der Stelle stehen bleiben konnte. Irgendwann musste sie gehen.
Eine Möglichkeit gab es noch. Das war ihr Handy. Wenn sie putzte, trug sie immer einen Kittel. In der linken Tasche steckte das mobile Telefon. Es war abgeschaltet, weil sie während der Arbeit nicht gestört werden wollte.
War es die Rettung?
Ada Wells wusste auch schon, wen sie anrufen würde. Shao wohnte nebenan. Sie würde sie sicherlich verstehen, wenn sie ihr die Lage erklärte. Aber es gab ein Problem. Sie kannte die Telefonnummer der Frau nicht auswendig. Schon war der
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