1696 - Blutbeute
funkelten.
»Loretta«, flüsterte sie, »den Namen habe ich noch nie zuvor gehört. Wie kommt sie nur dazu? Oder hat Mallmann uns hier etwas hinterlassen, von dem wir noch nichts wissen?«
»Zuzutrauen wäre es ihm. Eine Blutsaugerin, die mit dir Frieden schließen will, indem sie dir eine Blutbeute besorgt, ich denke, dass ihr Plan so lautet. Wenn du die Feinde nicht besiegen kannst, dann versuche, sie auf deine Seite zu ziehen. Eine ganz einfache Rechnung.«
Die Cavallo nickte. Es war ihr anzusehen, dass sie weiterhin nachdachte. Sie bewegte ihre Lippen. Hin und wieder waren die Spitzen ihrer Blutzähne zu sehen. Dann deutete sie auf die Tür.
»Es bleibt bei unserem Plan. Wir werden sie aufbrechen und die Wohnung stürmen.«
Suko sagte nichts, wirkte allerdings nicht eben begeistert, was der Cavallo nicht entging.
»Was ist? Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Im Moment nicht. Ich würde nur noch etwas warten. Die Halbvampire sind ja nicht grundlos in diese Wohnung gegangen. Ich denke auch nicht, dass sie die Wand zur Nebenwohnung aufbrechen. Meiner Meinung nach arbeiten sie an einem Plan, und ich kann mir vorstellen, dass sie bald die Wohnung verlassen, um sich um die nebenan zu kümmern.«
»Und wie lange sollen wir warten?«
Suko kam nicht dazu, eine Antwort zu geben. Die musste er schlucken, denn es trat das ein, was er sich vorgestellt hatte.
Die Tür wurde geöffnet.
Und vier Halbvampire hatten freie Bahn!
***
Judy Simmons sah mich an. »Das war kein gutes Gespräch für uns – oder?«
»Wie man es nimmt. Jedenfalls stehen die vier Halbvampire unter Kontrolle. Sie werden nicht in der Lage sein, ungesehen hier in die Wohnung zu gelangen.«
»Und diese Loretta?«
Ich stieß die Luft aus. »Das ist ein anderes Problem. Sie wird nicht aufgeben wollen, darauf müssen wir uns einstellen. Ich kann mir denken, dass sie einen gemeinsamen Angriff starten werden. Sie hier und die vier Halbvampire von der Tür her. Das allerdings werden Suko und Justine verhindern, und so brauchen wir uns nur auf Loretta zu konzentrieren.«
Ich verließ den Wohnraum und blieb im kleinen Flur stehen, um zu lauschen. Suko und Justine befanden sich jenseits der Tür im Flur. Zu hören waren sie nicht, aber ich wollte herausfinden, ob ich mit meiner Vermutung recht hatte. So zog ich die Wohnungstür behutsam auf und schaute durch den Spalt.
Ja, ich sah sie. Es hatte sich noch nichts getan. Sie konzentrierten sich auf die Nachbartür, die noch geschlossen war.
Das änderte sich in den nächsten Sekunden. Plötzlich reagierten sie. Die Cavallo huschte zur Seite, Suko ging vor und konnte nicht verhindern, dass die ersten Halbvampire ihr Versteck verließen und den Flur betraten.
Ein Kampf war unvermeidlich. Ich war bereit, mich einzumischen, als ich im Wohnraum ein lautes Geräusch hörte und einen schrillen Schrei.
Judy!, schoss es durch meinen Kopf. Mir kam zugleich in den Sinn, dass ich einen Fehler begangen hatte. Ich hätte sie nicht allein lassen sollen. Für eine Korrektur war es leider zu spät …
***
Judy Simmons war von einem unguten Gefühl erfasst worden, als John Sinclair ihre Nähe verlassen hatte. Erst wollte sie ihm etwas nachrufen, dann stellte sie fest, dass er die Wohnung nicht verließ und im kleinen Flur blieb.
Sie dachte an diese Loretta, die wie ein Mensch aussah, aber in Wirklichkeit keiner war.
Als sie an die Gestalt dachte, drehte sie sich um und warf einen Blick zum Fenster. Sie tat es genau im richtigen Augenblick, denn Loretta war da.
Sie stand oder schwebte vor dem Fenster.
Der Anblick machte Judy starr. Sie war nicht fähig, nach Hilfe zu rufen, und das war ihr Fehler. Sie hatte Loretta Zeit gegeben, ihren Plan durchzuführen.
Der Körper zuckte vor, die Flügel falteten sich zusammen, und einen Augenblick später rammte sie gegen die Scheibe, die diesem Druck nicht aushielt.
Das Glas splitterte und fiel scheppernd zusammen. Judy Simmons wich zurück, riss ihre Arme hoch und versuchte, ihr Gesicht vor diesen Geschossen zu schützen.
Dabei duckte sie sich, hörte einen Schrei, dann einen Fluch, den John Sinclair ausgestoßen hatte, drehte sich zur Seite und wollte wegrennen, als sie das böse Lachen hörte.
Dann packten zwei Hände zu und rissen sie in die Höhe. Sie schrie noch mal auf und wusste, dass es nicht John Sinclair war, der sie umfasste.
Neben ihrem linken Ohr hörte sie ein böses Zischen, dann erwischte sie die kalte Luft, und jetzt wusste sie, dass Loretta sie
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