1697 - Aibons Echsenfalle
ihr entfernt zu Boden und blieben dort liegen.
Auf ihrem Kopf saß eine weiße Wollmütze, die den größten Teil ihres braunen Haars verbarg. Nicht nur sie hatte die Idee gehabt, durch den Park zu gehen. Andere Menschen kamen ihr entgegen. Auch die meisten Bänke waren belegt, und Joyce Otis hielt bereits nach einer Bank Ausschau, auf der sie sich niederlassen konnte. Aber die musste schon so stehen, dass sie von den Strahlen der Sonne erfasst wurde.
Auf der rechten Wegseite stand eine solche Bank. Leider war sie besetzt. Genau in der Mitte hatte ein Mann Platz genommen, der eine Zeitung vor sein Gesicht hielt. Das war nicht unnormal, denn viele Menschen besuchten den Park, um in Ruhe zu lesen.
Dieser Mann war nicht ruhig. Er bewegte seine Beine so hektisch, als hätte er die Kontrolle darüber verloren. Das wunderte sie schon.
Dennoch ging sie weiter und war vielleicht drei, vier Schritte gegangen, als sie ein Geräusch oder einen Laut vernahm, der ihr ungewöhnlich vorkam. Er klang hinter der ausgebreiteten Zeitung auf und es hörte sich an wie ein leises Schreien, in das sich ein Würgen und auch Röcheln mischte.
Joyce Otis blieb stehen.
Plötzlich rann ein Schauer über ihren Rücken. Eine innere Stimme befahl ihr, weiterzugehen, aber sie hörte nicht darauf und blieb stehen.
Der Mann hatte Probleme, das stand fest. Joyce dachte darüber nach, ob sie ihn danach fragen sollte, konnte sich jedoch nicht entscheiden.
Sekunden verstrichen. Andere Spaziergänger, die sie hätte fragen können, befanden sich nicht in der Nähe, und so musste sie allein eine Entscheidung treffen.
Hingehen, fragen und …
Nein, das war nicht mehr nötig, denn in diesem Augenblick ließ der Mann seine Zeitung sinken, und so hatte Joyce einen freien Blick auf seine Gestalt.
Sie sah den Körper – und sie sah den Kopf.
In diesem Augenblick glaubte sie, nicht mehr in der normalen Welt zu sein.
Was sie sah, war kein Kopf, zumindest kein menschlicher. Es war der Schädel einer Echse.
Einen Herzschlag später schrie sie wie selten zuvor in ihrem Leben!
***
Es war wie ein Bild aus einem Horrorfilm, aber Joyce wusste auch, dass sie keinen Film erlebte und etwas sah, was es nicht geben durfte.
Ihr Schrei verebbte.
Der Mann hatte sich während dieser Zeit nicht von der Stelle gerührt. Er hatte den Blick seiner Augen auf sie gerichtet, und es waren Augen mit schimmernden Pupillen, in denen sich mehrere Farbtöne mischten.
Joyce Otis war wie vor den Kopf geschlagen. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Komischerweise kam ihr nicht in den Sinn, dass sich der Mann eine Maske über den Kopf gestreift hatte. Der Echsenschädel sah einfach zu echt aus.
Eigentlich hätte ihr Schrei ihn von der Bank treiben müssen. Das war nicht der Fall, denn er blieb sitzen in all seiner Scheußlichkeit. Er glotzte sie an, schüttelte dabei den Kopf und riss keinen Mund mehr auf, sondern ein Maul.
Aus ihm drang ein heulender Laut hervor, der so etwas wie ein Startsignal war. Es begann mit einem knappen Schütteln seines Echsenkopfes, dann schnellte er vor, verließ die Bank und rannte auf die Studentin zu.
Sie musste weg, konnte sich aber nicht rühren und rechnete damit, von den Beinen geholt zu werden. Das geschah zum Glück nicht, denn knapp vor ihr drehte sich die Gestalt zur Seite und huschte an ihr so dicht vorbei, dass sie noch den Luftzug spürte.
Dann war er weg!
Joyce Otis stand da und bewegte sich nicht. Sie bekam auch nichts von ihrer Umgebung mit. Sie fühlte sich wie paralysiert und hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben.
Sie hatte etwas gesehen. Etwas Unglaubliches. Es konnte nicht sein, und es war trotzdem eine schaurige Tatsache, was sie nicht fassen konnte.
Sie sah die Bank, wobei ihre Sicht nicht mehr klar war, denn die Umrisse verschwammen.
Plötzlich hörte sie dicht neben ihrem linken Ohr eine sonore Stimme. »Kann ich ihnen helfen, Madam?«
Erst jetzt kehrte sie wieder zurück in die Normalität. Sie drehte den Kopf und schaute in das lächelnde Gesicht eines Polizisten, der sie freundlich und auch prüfend anblickte.
»Ich weiß nicht, Officer«, flüsterte sie.
»Haben Sie geschrien?«
»Ja, das habe ich.«
Der Beamte nickte. »Ich hörte den Schrei, bin in diese Richtung gelaufen und finde Sie. Was ist passiert? Sie sehen aus, als hätten sie etwas Schreckliches hinter sich.«
»Ja, ja«, gab Joyce zu, »ich habe geschrien.«
»Und warum?«
Jetzt musste sie eine Antwort geben, was ihr nicht
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