1698 - Die Schule der Theans
gleichgültig, ob sie dabei auch Lebewesen umbrachte. Aus der Zentrale kamen ihr die Spindelwesen entgegen, selbst voller Zorn und Frustration, weil erneut eine Reise vergeblich unternommen worden war und sich keine Antworten gefunden hatten. Nur leere Phrasen, ein Lügengespinst, von Quidor aufgebaut, das sich zwei Millionen Jahre lang gehalten hatte. Aber kein Hinweis auf die Spindelwesen, ihre Herkunft und ihre Bedeutung. Das meiste, was in Erfahrung gebracht worden war, hatten sie schon gewußt. In gemeinsamer Zerstörungswut machten sie einen Bunker nach dem anderen dem Erdboden gleich. Da sie sich verteilten und keine ernsthafte Gegenwehr zu erwarten hatten, brauchten sie dafür nicht lange. Der ganze Planet schien in Explosionen, Staubwolken und Feuer unterzugehen. Je mehr Einrichtungen zerstört wurden, desto schneller brach das Netz zusammen. Zahlreiche Schüler schrien voller Schmerz und Entsetzen und schlugen auf ihre Callons ein, die teilweise den Dienst versagten und nutzlos geworden waren.
Viele kamen bei der Vernichtungsaktion ums Leben, nur wenige konnten sich mit letzter Kraft in irgendeinen Wald retten. „Nie wieder", fauchte Moira über das Netz, so daß alle sie vernehmen konnten, „nie wieder soll es etwas geben, das sich Quidor-Spiel oder Schule der Theans oder wie auch immer nennt. Die Zeit der Lügen ist vorbei, ein für allemal! Dies sagt euch Moira!"
Alaska spürte, wie etwas zerbrach und starb in den zwei jungen Frauen. Da sie noch vemetzt waren, mußten sie dem mörderischen Treiben zusehen, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.
Sie mußten den Schmerz und die Angst der Schüler teilen. Diese Emotionen waren so übermächtig, daß sie niemand ganz aussperren konnte. Und es war das zweite Mal innerhalb eines kurzen Zeitraums, daß sie einer solch sinnlosen, grausamen Vernichtungsaktion beiwohnten. Er spürte das Entsetzen der beiden in seinen Gedanken, ganz still und trostlos. Er konnte nichts tun, um ihnen zu helfen. Er fühlte, wie sie sich schließlich ganz in sich zurückzogen und ihre Trauer in einen abgelegenen Winkel ihres Bewußtseins verdrängten. Wahrscheinlich gaben sie sich schon bald wieder wie immer, aber ihm war klar, daß sie nie wieder so sein würden wie früher. Das Verbinden der Geister hatte eine besondere Beziehung zwischen ihnen geschaffen, ein stilles Verständnis und eine Vertrautheit, die keiner Worte mehr bedurfte. Sowohl die Zwillinge als auch Alaska hatten gelernt, aus sich herauszugehen, für einen Moment das Eigenbrötlerische aufzugeben.
In gewisser Weise waren sie sich darin sogar ähnlich: Alaska durch seine Grübelei, die Zwillinge durch ihre beidseitige Fixierung, die keinen Außenstehenden heranließ. Zurück, dachte er. Aus dem Netz! Er nahm all seinen Willen zusammen und trennte sie mit Macht von den Vorgängen. Er schottete alles ab und ließ nichts mehr herein, bis alles wirklich nur noch ein leises Flüstern, ein letzter Nachhall war. Im nächsten Moment fand er sich bewußt in seinem Körper auf der STYX wieder. Er stand in seiner Kabine, vor den Kontrollen. Die Zwillinge lagen auf der Liege, sie zitterten. Während er auf die Frauen zuging, um sie zu trösten, schaltete das Netz sich ganz ab.
Alaska spürte, wie eine Veränderung durch den Callon ging, der vorher warm, fast wie eine lebendige Hülle gewirkt hatte. Er wurde steif und kalt, der Sauerstoff wurde in Schüben herausgestoßen. Alaska fragte sich, wann sämtliche Funktionen aussetzen würden. Er mußte den Helm so schnell wie möglich abnehmen, zuerst den Schwestern, dann sich. Möglicherweise konnte er den Anzug sogar ganz ausziehen, nachdem das Netz zerstört war und die implantierten Chips nicht mehr funktionierten. Er mußte ...
Als der Terraner wieder zu sich kam, saß er bequem neben den Schwestern auf seiner Liege.
Moira hatte ihnen allen den Anzug entfernt, offensichtlich rechtzeitig. Alaska wußte noch, daß er etwas unternehmen wollte, aber dann hatte er das Bewußtsein verloren wie die Schwestern. Wieviel Zeit war inzwischen vergangen? Er stand auf und streckte sich ächzend. Mila und Nadja bewegten sich unruhig und öffneten die Augen. Sie setzten sich auf und sahen irritiert um sich. Alaska drehte sich um, als Moira hereinkam. Sie wirkte gelöst, geradezu heiter. „Nun, wie geht es euch?" fragte sie. „Es ist alles wieder in Ordnung. Die Spindelwesen sind ebenfalls an Bord."
„Alles wieder in Ordnung?" sagte Alaska leise. Er ging zu den Kontrollen und
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