17 - Das Konzil der Verdammten
nickte ihm kurz zu, schritt zur Pforte des domus feminarum und griff nach dem Klingelzug. Er zog heftig daran, verärgert, wie er war. Es dauerte eine Weile, bevor die Guckklappe aufgestoßen wurde und er sich eine eingehende Prüfung gefallen lassen musste.
»Bruder Eadulf wünscht die abbatissa aufzusuchen«, sagte er knapp.
Die Guckklappe fiel zu, und er hörte, wie Metall auf Metall scharrte, ehe die Tür aufging. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, trat er ein. Der Türflügel schloss sich hinter ihm, und als er sich umdrehte, war Schwester Radegund schon dabei, die Riegel wieder vorzulegen.
»Wer war die junge Schwester, die soeben Bruder Andica herausgelassen hat?«, fragte er die Verwalterin unumwunden.
Schwester Radegund blinzelte. Die Frage schien sie zu überraschen. »Wie bitte, Bruder?«
»Die Frage war doch klar gestellt, oder?«, gab er ungeduldig zurück.
Schwester Radegund errötete. »Ich versichere dir, Bruder Eadulf, diese Pforte habe nur ich heute Morgen geöffnet und geschlossen.«
»Willst du behaupten, Bruder Andica sei nicht vor wenigen Augenblicken durch diese Tür getreten?«
»Bruder Andica? Ich versichere, hier war niemand.« Eadulf klappte der schon geöffnete Mund wortlos zu. Einer so unverschämten Lüge wusste er nicht zu begegnen. Hätte Schwester Radegund behauptet, der blaue Himmel sei in Wirklichkeit rot, wäre es ebenso sinnlos gewesen, mit ihr darüber zu streiten. Ihr Leugnen einer offenkundigen Tatsache war dreist; er konnte nichts dagegenhalten.
»Du willst also zu Äbtissin Audofleda?«, fragte die Verwalterin. »Nun gut, folge mir.«
Sie wartete keine Antwort ab, drehte sich um und eilte los. Eadulf, dem der Weg zum Gemach der Äbtissin vom letzten Besuch noch im Gedächtnis war, hielt mit ihrem Tempo Schritt.
Äbtissin Audofleda stand in ihrer Kemenate vor dem Kamin. Die düsteren Steinwände des Raumes ließen einen frösteln, obwohl draußen heißes Sommerwetter herrschte. Die geistliche Dame trug schwarze Gewänder. In ihren dunklen Augen funkelte mühsam beherrschter Ärger. Der Mund war nur ein dünner Spalt, und die gefalteten, dicht vor dem Leib gehaltenen Hände verrieten ihre Anspannung.
»Bruder Eadulf«, meldete Schwester Radegund und stellte sich wieder vor die geschlossene Tür.
»Nun?« Das Wort klang wie ein Peitschenhieb; er war hier ganz offensichtlich nicht erwünscht.
» Abbatissa , ich vermute, du hast mit Bischof Leodegar gesprochen und weißt, warum ich erneut komme.« Eadulfs Ton war nicht minder scharf.
Die Äbtissin warf ihm einen abweisenden Blick zu. »Ich weiß es. Ungeachtet meines Protestes gegen eure Anmaßung bei eurem vorigen Besuch, hat der Bischof mir nahegelegt, euch noch einmal zu empfangen und eure Fragen zu beantworten. Die Frau aus Hibernia liegt, wie ich erfahren habe, krank darnieder nach einem Schlangenbiss, vielleicht ist das die gerechte Strafe für ihr anmaßendes Benehmen. Daher vermute ich, dass nun du weitere Fragen stellen willst.«
Eadulf hatte sich nur mit Mühe in der Gewalt. Das Verhalten der abbatissa bestärkte ihn eher in seinem Vorhaben, unerbittlich und ohne jede Rücksicht auf diplomatische Erwägungen vorzugehen. »Als Mitglied unserer Glaubensgemeinschaft wird es dich froh stimmen, dass es Schwester Fidelma besser geht und sie sich von dem Biss der Giftschlange erholt«, erwiderte er nicht ohne Sarkasmus. »In der Tat, ich bin an ihrer Stelle hier im Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Das dürfte die Sache einfach machen – veritas simplex oratio est – einfach ist die Sprache der Wahrheit.«
Äbtissin Audofleda war sichtlich verärgert. »Die ganze Angelegenheit ist mir ausgesprochen zuwider. Was willst du also wissen? Bringen wir das rasch hinter uns.«
»Kommen wir noch einmal auf die Sache mit Schwester Valretrade zurück«, begann Eadulf.
»Wie es sich mit ihr verhält, haben wir bereits erklärt. Sie hat beschlossen, uns zu verlassen – das ist alles.«
»Soviel hast du bereits gesagt, ja. Du erwähntest auch, sie habe dir eine Mitteilung hinterlassen.«
»Und was ist dabei?« Sie schnaubte verächtlich? »Alle haben sie eine Mitteilung hinterlassen. Lesen und schreiben konnte sie doch.«
»Dass sie lesen und schreiben konnte, habe ich mir gedacht«, erwiderte Eadulf mit ernster Miene. »Ihre Mitteilung, hat sie sie dir überreicht?«
»Schwester Radegund hat mir die Notiz gegeben.«
Eadulf wollte sich schon an die Verwalterin wenden, als ihm plötzlich aufging, was die Äbtissin gesagt hatte. »Du
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