17 - Das Konzil der Verdammten
feminarum in die Stadt begibt«, entgegnete die Äbtissin unwirsch.
»Zum Beispiel?«
Fast fauchend machte die abbatissa ihrer Ungeduld Luft. »Also wirklich, Bruder Eadulf! Ich begreife nicht, was diese Fragen bezwecken sollen.«
»Dennoch wäre ich dir für eine Antwort sehr verbunden«, entgegnete Eadulf hartnäckig. »Mir geht etwas im Kopf herum, worüber ich Klarheit gewinnen möchte.«
Die Frau setzte zur Gegenwehr an, zuckte dann aber die Achseln. »Also zum Beispiel, einige Delegierte zum Konzil, das der Bischof einberufen hat, haben Ehefrauen oder sonstige Frauenzimmer in Unkenntnis der Regula mitgebracht und ohne sich im Klaren zu sein, welche Sitten hier herrschen. Sie wurden in einem Gasthof im Ort untergebracht, denn man hätte sie in keinen Teil der Abtei aufnehmen können – lediglich der Frau aus Hibernia hat der Bischof Dispens erteilt.« Es war spürbar, wie sehr sie das wurmte.
»Und wie ergab sich daraus der außergewöhnliche Anlass, bei dem Angehörige dieser Gemeinschaft sich außerhalb der Abtei bewegen durften?«
»Der Bischof bat darum, einigen ausgewählten Mitgliedern meiner Gemeinschaft zu gestatten, diesen auswärtigen Frauen behilflich zu sein und sie während ihres Aufenthalts in der Stadt zu begleiten. So war ein Besuch des römischen Amphitheaters vorgesehen, bei dem ein paar unserer Schwestern zur Begleitung der Besucher benötigt wurden.«
»Gehörte Schwester Valretrade zu ihnen?«, fragte Eadulf, dem sich dieser Gedanke plötzlich aufdrängte.
»Hätten wir geahnt, dass man ihr nicht vertrauen konnte, dann …«, mischte sich Schwester Radegund ein, verstummte aber sogleich, als sie den vernichtenden Blick der Äbtissin auffing.
»Hätten wir geahnt, dass sie dieses … dieses Verhältnis angefangen hatte«, fuhr die abbatissa fort, »hätten wir ihr nicht die Aufgabe übertragen, die Frauen der Fremdländischen zu begleiten.«
»Wann habt ihr herausgefunden, dass sie ein Verhältnis hatte? War das, bevor sie verschwand?«
Äbtissin Audofleda stampfte mit dem Fuß auf. »Das ist nun wirklich die Höhe! Wir haben dir alle erdenkliche Geduld entgegengebracht. Die Befragung ist beendet.«
»Warum gestattest du nicht deiner Verwalterin, mir zu antworten?«
»Weil es mir nicht beliebt«, erwiderte die Beherrscherin des Frauenhauses. »Entferne dich.« Das Kinn war vorgeschoben, ihre Lippen nur ein dünner Strich.
Eadulf hatte noch viele Fragen stellen wollen, musste aber einsehen, dass es zwecklos war. Mit unbeweglicher Miene schaute er sie an. »Es liegt bei dir, Äbtissin. Natürlich werden wir in unserem Bericht an den Ehrwürdigen Gelasius in Rom nicht verschweigen, wie wenig du bereit bist, uns in unseren Nachforschungen zu unterstützen.«
Er schritt zur Tür und sah noch, wie Schwester Radegund die Äbtissin ängstlich ansah, doch die warf nur hochmütig den Kopf in den Nacken.
»Den Weg nach draußen findest du allein«, rief ihm seine Gegnerin unhöflich nach.
Draußen blieb Eadulf stehen. Er war enttäuscht, hatte er doch nur wenig mehr erfahren, als er bereits vermutet hatte: Schwester Valretrade hatte die Abschiedszeilen nicht geschrieben, und sie hatte die Abtei nicht aus eigenem Antrieb verlassen.
Er ging den Korridor entlang zur Treppe, die zum Haupteingang führte. Da flüsterte ihm jemand zu, er möge einen Moment warten. Eadulf wandte sich um. Im Schatten einer tiefen Nische stand ein junges Mädchen in Schwesterntracht. Wie eine Verschwörerin winkte sie ihn zu sich.
»Bruder, ich muss mit dir reden.«
K APITEL 15
Das Mädchen streckte eine Hand aus und zog ihn in die Nische. Es wirkte geradezu verängstigt. »Ich sah dich ins Gemach der abbatissa gehen. Bist du nicht der Sachse, der die Frau aus Hibernia begleitet? Und stellt sie nicht die Nachforschungen an wegen der Todesfälle in der Abtei?«
»Ja, und wer bist du?«
»Ich heiße Inginde.«
»Ah, natürlich.« Eadulf schaute sich rasch um. »Jetzt mit
einander zu reden, ist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Jeden Moment dürfte Schwester Radegund auftauchen, um sich zu vergewissern, dass ich das Haus verlasse.«
»Ich wollte nur hören, ob du inzwischen etwas über Valretrade erfahren hast?«
»Wir suchen noch nach ihr, aber eins kann ich dir versichern: Aus eigenem Entschluss hat sie die Abtei nicht verlassen. Die Abschiedszeilen, die sie zurückließ, stammen nicht von ihrer Hand.«
»Woher willst du das wissen?«
»Jeder Schreiber wird dir erklären, dass alle Kopisten ihren eigenen Stil haben, die
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