17 - Das Konzil der Verdammten
wie die Römer sie gebaut haben. Nur eins davon ist ziemlich verfallen, und gerade das liegt der Abtei am nächsten. Deshalb müssen wir den Weg durch die Stadt nehmen.«
»Die Mauer ist wirklich prächtig, außer in Rom habe ich dergleichen nirgendwo gesehen«, äußerte sich Eadulf anerkennend.
»Und sie geht tatsächlich rund herum. Auf ihr Autun sind die Bewohner mächtig stolz, sie meinen sogar, es kann sich mit Rom messen.«
Sobald sie das Tor passiert hatten, schlugen ihnen die Ausdünstungen der Stadt entgegen. Fidelma und Eadulf stammten aus ländlichen Gebieten, und die Siedlungen, die es dort gab, waren kaum mehr als ausgedehnte Dörfer ohne Schutzwälle. Nun riefen die Gerüche Erinnerungen an Rom wach: stinkende Abwassergräben, verfaulende Gemüsereste, der Kot umherstreunender Tiere und überhaupt der Dreck in den Gassen, dazu der Schweiß der Leute, die in engen Behausungen zusammengepfercht wohnten.
Fidelma überlief ein Schauder, und sie fragte sich, wie man in so einer Umgebung leben konnte. Bruder Budnouen warf ihr einen Blick zu und grinste. »Du brauchst schon eine Weile, bis du dich daran gewöhnst, wenn du auf dem Lande aufgewachsen bist.«
Sie ging nicht darauf ein, hatte sie doch in der verpesteten Luft mit aufsteigender Übelkeit zu kämpfen. Während sie so auf der Hauptstraße, oder was sie dafür hielten, dahinfuhren, liefen Frauen an ihnen vorbei, die ihrer Kleidung nach wohlhabend und von Rang waren. Sie alle drückten sich kleine Blumensträuße an die Nase, worüber Fidelma verstohlen lächeln musste. Also war sie nicht die Einzige, die den Gestank dessen, was man Zivilisation nannte, kaum ertrug. Sie konnte sich nicht erinnern, dass es in Rom derart schlimm war, aber das lag vielleicht an den viel breiteren Durchgangsstraßen dort. Die Straße hier war gesäumt von kleinen Läden, sogar Werkstätten von Hufschmieden. Händler priesen ihre Waren lauthals an, um Kunden anzulocken, oder feilschten mit den Käufern um Preise. Das Stimmengewirr drückte ihr wie eine Lärmwoge auf die Ohren.
Als sie über einen Platz rollten, schreckte ein Peitschenknall Fidelma hoch, und sie schaute sich um. Auf einem kleinen Podium stand ein Häufchen winziger Gestalten. Worum es sich handelte, war schwer zu erkennen, weil sich eine Menschenmenge darum drängte. Ein großer Kerl mit einer Peitsche überragte alle und brüllte etwas, das Fidelma nicht verstand. Plötzlich sah sie, dass da Kinder waren und dass jedes von ihnen einen eisernen Reifen um den Hals trug. Entsetzt stöhnte sie auf.
Bruder Budnouen erklärte ihr ungerührt: »Da werden Sklaven versteigert. Das Geschäft blüht in der Stadt, hier ziehen viele Händler aus fremden Ländern durch.«
»Abscheulich«, murmelte Fidelma.
Bruder Budnouen schaute sie belustigt an. »Was meinst du? Den Sklavenhandel etwa? Wie soll man in der Welt zurechtkommen ohne Sklaven?«
»Ziemlich gut sogar«, erwiderte sie aufgebracht.
Der Gallier gluckste. »Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass es bei euch keine Sklaven gibt.«
»Nicht in dem Sinne, wie man sie hier hat.«
»In welchem Sinne dann?«, fragte er und zog die Brauen hoch.
»Es gibt bei uns eine Schicht, die ihr die Unfreien nennen könntet, die fudir «, räumte sie ein.
»Und wie werden die gekauft und verkauft?«
»Die werden nicht wie Waren gekauft oder verkauft, um daran zu verdienen wie an einem Sack Mehl. Meistens sind das Gefangene, die in einer Schlacht gemacht wurden, oder es sind Verbrecher, die ihr Recht verwirkt haben, zu einem Clan zu gehören. In den Clans aber regelt sich unser Zusammenleben. Solche Leute heißen bei uns daer-fudir – sie müssen in ihrem Sippenverband niedere Dienste verrichten, bis sie ihr Vergehen gebüßt oder ausreichend lange gearbeitet haben, damit sie ihre Freiheit wiedererhalten. Ihr Los ist nicht das der völlig hoffnungslosen Sklaven wie in anderen Ländern. Die Gesetze bei uns sehen die Möglichkeit vor, aus der Unterschicht der fudir freizukommen.«
Bruder Budnouen schnaufte ungläubig. »Ich habe jedenfalls gehört, die Angelsachsen verkaufen den Iren Kinder als servus , und das heißt doch als Sklave, oder etwa nicht?« »Ja, das schon, auch in meinem Volk gibt es Sklaverei«, mischte sich Eadulf ein. »Gerade unter armen Leuten kommt es vor, dass sie ihre Kinder oder andere Verwandte an Händler veräußern, um an Geld zu kommen. Diese Händler verkaufen sie dann in den Häfen von Hibernia. Ich kann nur hoffen, das hört bald auf. Eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher