17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Rugova führenden Straße, links im Wald. Um ihn zu erreichen, muß ich durch das Dorf und noch eine halbe Stunde über dasselbe hinaus. Dann geht mein Weg von der Straße ab und in den Forst hinein. An der Stelle, wo das geschieht, bildet der Berg eine kleine, halbkreisförmige Bucht, die mit dichtem Gebüsch bewachsen ist und an deren Öffnung die Straße vorüberführt. Durch diese Bucht muß ich gehen, um nach dem Ort meiner Arbeit und des Abends von da wieder zurückzukommen. Gestern abend nun hörte ich, als ich die Bucht erreichte, zur Seite meines Weges Stimmen im Gebüsch. Ich trat hinein und sah acht oder neun Pferde stehen, bei denen ebenso viele Männer saßen. Ich konnte die Gesichter derselben nicht erkennen; aber es war doch noch hell genug, zu bemerken, daß sich bei den Pferden zwei Schecken befanden. Da es bekannt ist, daß die Aladschy Schecken reiten, kam ich sogleich auf den Gedanken, daß diese beiden Männer hier anwesend seien.“
„Wurdest du von den Leuten gesehen?“
„Nein, ich wich sogleich zurück. Ich kam aus der Bucht heraus und wendete mich nun auf der Straße nach rechts, dem Dorf zu. Da, wo der Wald zu Ende geht und man beinahe die ersten Häuser sieht, saß wieder ein Mann im Gras. Sein Pferd weidete in seiner Nähe. Er saß so, daß er nach dem Dorf blickte. Es hatte den Anschein, als ob er von dort her jemand erwartete.“
„Sprachst du mit ihm?“
„Nein. Ich werde mich hüten, mich um die Angelegenheit dieser Leute zu bekümmern.“
Ich war überzeugt, daß die Aladschy uns in der Bucht überfallen wollten. Sie mußten ja annehmen, daß wir da vorüberkommen würden. Der einzelne Reiter war ein vorgeschobener Posten, welcher unsere Ankunft melden sollte. Es kam also darauf an, das Terrain kennenzulernen. Darum erkundigte ich mich:
„Kann man nicht auf einem andern Weg von hier nach Rugova kommen?“
„Nein, Herr, es gibt keinen zweiten.“
„Aber kann man nicht vielleicht einen Umweg nach einem Ort machen?“
„Auch das geht nicht, und die Bucht ist gar nicht zu vermeiden.“
„Kann man denn nicht nach rechts, nach dem Fluß abweichen?“
„Leider nicht. Rechts von der Strecke hast du von hier aus zunächst einige Felder, dann Wiese, und sodann gibt es zwischen Straße und Fluß nur tiefen Sumpf. Wo der Sumpf aufhört, beginnen hohe, steile Felsen. Die Straße führt wohl über eine Stunde lang zwischen unbesteigbarem Gestein hin, bis du fast die Nähe von Rugova erreicht hast. Zwar gibt es hier oder da, zur rechten oder linken Hand, einen Einschnitt, aber wenn du ihm folgst, so bist du schon nach kurzer Zeit gezwungen, umzukehren, weil du nicht weiter kannst.“
„Also zur Linken liegt die Bucht. Wie ist die ihr gegenüberliegende Stelle rechts der Straße beschaffen?“
„Da ist noch Sumpf. Laß dir's ja nicht einfallen, da hinein zu reiten! Du wärst verloren. Dann aber beginnt gleich das Gestein.“
„Dann ist freilich das Terrain für uns im höchsten Grad gefährlich; aber wir müssen durch.“
„Vielleicht gelingt es euch durch außerordentliche Schnelligkeit; aber Steine und Kugeln wird es genug geben.“
Nach dieser Erkundigung übergab ich ihm und seinem Bruder die Pferde. Ich behielt nur den Goldfuchs und das zweitbeste der mitgebrachten Tiere für Stojko zurück. Halef mußte den Brüdern aus seiner Almosenkasse ein Geschenk geben, über welches sie sich sehr erfreut zeigten. Dann verabschiedeten wir uns.
Durch das Dorf ritten wir im Galopp, draußen aber hielten wir an. Ich teilte den Gefährten mit, was der Steinbrecher zu mir gesagt hatte, tauschte meinen Rih gegen Halefs Pferd um, und bat sie, noch einige Minuten zu warten und dann langsam nachzukommen. Dann ritt ich so schnell fort, daß ich den Posten erreichen mußte, bevor derselbe die mir folgenden Reiter sehen konnte. Schon von weitem erblickte ich den Posten, aber er bestand aus zwei Männern, welche hart an der Waldecke im Gras lagen. Ihre Pferde standen neben ihnen.
Sie sahen mich kommen und teilten sich wahrscheinlich ihre Bemerkungen über mich mit. Ihre Kleidung war lumpig; Kühnheit und Hinterlist aber leuchteten aus ihren Augen.
Ich grüßte, stieg ab und schritt langsam zu ihnen hin. Sie erhoben sich und musterten mich mit scharfen Blicken. Daß ich nicht im Sattel blieb, war ihnen sehr ärgerlich. Das sah ich ihnen an.
„Was willst du hier? Warum reitest du nicht weiter?“ fuhr mich der eine an.
„Weil ich mich bei euch nach dem Weg erkundigen will“,
Weitere Kostenlose Bücher