17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Holzkohlenhandel nicht die eigentliche Veranlassung gewesen, solche mühsame und gefährliche Fuhren zu unternehmen. Ich hatte vielmehr die Überzeugung, daß sie den Zweck verfolgten, heimlich den verbrecherischen Absichten des Schut und des Köhlers zu dienen.
Nachdem wir die Massen des eigentlichen Gebirgsstockes überwunden hatten, wurde der Weg besser. Wir ritten über die Vorberge hinab und sahen bereits von einigen Punkten die Wasser des schwarzen Drin heraufschimmern. Der harte Felsengrund machte weichem Boden Platz. Der finstere Wald trat zurück, um lichterem Forst zu weichen, welcher nach und nach in freundliches Buschwerk überging, durch dessen Fülle sich grüne, wiesenartige Streifen zogen, bis wir endlich an den Fluß gelangten.
Hier war die Furt, von welcher der Alim gesprochen hatte. Die Wagenspuren führten an dieser Stelle in das Wasser und drüben wieder heraus.
Der zurückgelegte Weg war uns durch die mitgenommenen Pferde doppelt beschwerlich gewesen. Jetzt hatten wir große Mühe, sie über den Fluß zu bringen. Wir mußten sie einzeln hinüberreiten. Erfreulicherweise bot von da an der Weg keine Schwierigkeiten mehr. Es ging über eine grasige Ebene und dann sanft bergan, bis wir angebaute Felder erreichten und dann Kolutschin am Fuß des dort beginnenden Bergzuges liegen sahen. Von Gurasenda und Ibali kam linker Hand die Straße herab, an welcher das Dorf lag. Aber diese sogenannte Straße verdiente diesen Namen ebensowenig wie eine Spinne den Namen Kolibri oder ein Krokodil denjenigen eines Paradiesvogels verdient.
Den ersten Menschen, welcher uns begegnete, fragten wir nach Dulak, dem Steinbrecher. Der Mann war der Bruder desselben. Er führte uns freundlich nach der Wohnung des Genannten, welcher zu Hause war.
Die Brüder waren starke Männer von halb wildem Aussehen, aber von Zutrauen erweckenden Gesichtszügen. Ihre Wohnungen lagen am diesseitigen Ende des Dorfes. Daher kam es, daß uns noch kein anderer Bewohner desselben gesehen hatte und wir also nicht, wie sonst gewöhnlich, angegafft und belästigt wurden.
Ich schickte die Gefährten mit den Pferden hinter das Haus und trat allein mit den Brüdern hinein, um ihnen mein Anliegen vorzutragen. Es lag mir daran, von möglichst wenig Leuten beobachtet zu werden, damit man nicht erfuhr, daß wir jemand nach der Höhle schickten.
Als ich sagte, was mein Begehren sei, und ihnen den Dolmetscher nannte, zeigten sie sich sofort bereit, auf meinen Wunsch einzugehen, warnten mich aber, mich mit irgendeinem andern einzulassen.
„Du mußt nämlich wissen, Herr“, sagte Dulak, „daß du dich sonst auf niemand verlassen kannst. Der reiche Kara Nirwan hat es verstanden, sich überall beliebt zu machen. Kein Mensch wird glauben, daß er der Schut sei, und sobald man bemerken würde, daß ihm von dir eine Feindseligkeit drohe, würde man ihn vor euch warnen. Wir selbst wollen dir aufrichtig sagen, daß wir nur schwer deine Erzählung für Wahrheit halten können. Aber du hast das Aussehen eines ernsten und ehrlichen Mannes, und da dich mein Freund, der Dragoman, an mich gewiesen hat, so wollen wir tun, was du verlangst. Aber wir dürfen das nicht weiter wissen lassen. Darum werden wir jetzt, da wir noch unbeachtet sind, sofort aufbrechen, und auch du magst nicht länger hier verweilen, als nötig ist.“
„Habt ihr Pferde?“
„Nein. Wenn ich einmal eines Pferdes bedarf, um meine Schwester in Antivari zu besuchen, so bekomme ich leicht eines geliehen. Warum fragst du? Sollen wir etwa reiten?“
„Ja, damit ihr möglichst bald bei dem Dolmetscher eintrefft. Ihr kennt doch den Weg nach dem Tal, welches der Köhler bewohnt?“
„Sehr genau.“
„So will ich euch Pferde geben, welche ihr dann vielleicht für immer behalten könnt.“
Ich erzählte ihnen, auf welche Weise wir zu den Tieren gekommen waren, und fragte sie dann, ob ihnen die Aladschy bekannt seien und ob sie dieselben vielleicht gesehen hätten.
„Wir kennen sie“, antwortete der Steinbrecher, „denn sie haben sich zu verschiedenen Malen in dieser Gegend umhergetrieben. Sie sind gefürchtet, wagen es aber doch nicht mehr, im Dorf einzukehren. Wenn ich richtig vermute, so befinden sie sich wieder hier, und zwar in Gesellschaft anderer. Das möchte ich vermuten nach dem, was ich gestern gesehen habe.“
„Darf ich es vielleicht erfahren?“
„Ich habe keinen Grund, es dir zu verschweigen. Der Steinbruch, in welchem ich beschäftigt bin, liegt seitwärts der nach
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