17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
herangesprungen, gefolgt von sechs oder acht Kerlen, welche ein Höllengebrüll ausstießen und im Laufen auf uns schossen – eine Albernheit von ihnen, denn sie trafen nicht. Hätten sie ihre Kugeln gespart, bis sie da waren, so wäre es mit uns vorbei gewesen.
In solchen Augenblicken hat man keine Zeit zur Angst, auch keine Zeit, auf das Brummen des Kopfes zu achten. Ich sah die heranstürmenden Feinde und die wieder zu uns zurückkehrenden Freunde. Halef war der Vorderste.
„Wo sind die Gewehre?“ fragte er, indem er fast noch im Galoppieren aus dem Sattel sprang. „Sihdi, wo hast du sie?“
Natürlich hatte ich keine Zeit zur Erklärung, denn die Aladschy brauchten nur noch vier Sekunden, um uns zu erreichen.
„Steht fest! Schießt!“ rief ich laut und dann hatte ich nur noch Zeit, dem Hadschi mit der Linken den Säbel aus der Scheide zu reißen. In der Rechten den Czakan, so sprang ich an die Straßenseite zum Felsen, um Rückendeckung zu bekommen. Als ich mich umdrehte, schnellten beide Aladschy mit den Bewegungen wilder Tiere auf mich los. Ihre Czakans fest in den Fäusten, hielten sie mit den linken Händen die Pistolen auf mich gerichtet und drückten auf kaum zwölf oder dreizehn Schritt Entfernung ab. Ich warf mich zu Boden. Die Kugeln prallten über mich gegen den Felsen. Da sie abermals schießen würden, denn ihre Pistolen konnten zweiläufig sein, darum stand ich nicht an derselben Stelle wieder auf, sondern ich schnellte mich augenblicklich so weit wie möglich an der Felswand hin, indem ich jedoch Säbel und Czakan fest in den Händen behielt – richtig! Wieder zwei Schüsse, die mich abermals nicht trafen; dann fuhr ich empor.
Zwischen den ersten zwei und den letzten beiden Schüssen war kaum eine Sekunde vergangen. Die Aladschy waren zu hitzig. Aber nun warfen sie die nutzlosen Pistolen weg und sprangen mit hoch erhobenen Beilen auf mich los.
Ich konnte nur auf mich selbst achten, sah aber doch, daß der Lord noch immer regungslos auf der Erde lag. Die andern drei hatten ihre Gewehre auf die Angreifer abgeschossen und einige von ihnen getroffen, wurden aber nun von den übrigen umringt.
Halef sagte mir später in feierlicher Beschämung, daß er auf die Aladschy gezielt, aber keinen getroffen habe, weil die Aufregung seine Hände zittern machte. Jetzt standen sechs Feinde gegen ihn und die zwei Gefährten: ich konnte ihnen nicht zu Hilfe kommen. Jeder von uns hatte zwei Feinde gegen sich.
Wäre es ja einmal mein Wunsch gewesen, einen wirklich auf das Leben gehenden Kampf mit dem Heiduckenbeil mitzumachen, so hätte ich mich jetzt vollständig befriedigt sehen können. Zwei Czakans gegen einen! Zwei Riesen, welche auf diese Waffe geübt waren, gegen mir, der ich bisher nur den viel leichteren, ich möchte sagen, eleganteren Tomahawk im Nahkampf geführt hatte! Nur die größte Kaltblütigkeit konnte mich retten. Ich durfte meine Kraft nicht ausgeben; ich mußte mich darauf beschränken, die gegen mich gerichteten Hiebe vorsichtig zu parieren, um dann jeden sich mir bietenden Vorteil blitzschnell auszunützen. Was man in solchen Augenblicken denkt und fühlt, das weiß man später nicht mehr.
Die Aladschy waren zu meinem Glück wie blind vor Wut. Sie hieben ganz regellos auf mich ein. Der eine verdrängte den andern, um einen tödlichen Hieb anzubringen; ihre Beile waren einander hinderlich. Dazu brüllten sie wie angeschossene Tiger, denen man die Jungen fortschleppt.
Mit dem Rücken nahe der Felswand, aber ja nicht an sie gelehnt, was mich in den Bewegungen des Armes gehindert hätte, und den Blick scharf auf sie gerichtet, so wehrte ich ihre Hiebe ab, bald in fester Parade, bald durch Gegenhiebe von unten herauf, bald durch Kreiswirbel, wenn sie zugleich schlugen, je nachdem es erforderlich war. Keiner ihrer Hiebe kam zu sitzen. Meine Ruhe verdoppelte ihren Grimm und verleitete sie zu regellosem Kämpfen.
Drüben auf der Mitte des Weges schrie, fluchte und tobte es, als ob Hunderte gegeneinander stritten. Beide Parteien hatten die Flinten abgeschossen, einige Pistolenschüsse waren gefallen; nun befanden sie sich im engsten Handgemenge. Mir wurde bang um die Gefährten; ich mußte versuchen, meine Gegner möglichst rasch loszuwerden.
Die Gesichter dieser beiden waren fast blaurot geworden vor Wut und Anstrengung. Sie keuchten, und von ihren Lippen troff der Geifer. Da ich jeden ihrer Hiebe parierte, begannen sie mit den Füßen nach mir zu treten. Das mußte ich
Weitere Kostenlose Bücher