17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
mit den andern Sachen abgenommen.“
„Wenn er nicht vernichtet ist, werdet Ihr ihn wieder bekommen. Übrigens genügt es, wenn er nur meine Papiere liest. Ihr seid mein Freund, und ich legitimiere Euch.“
Die Leute waren aus den umliegenden Häusern getreten und hielten die neugierigen Blicke auf uns gerichtet. Einige liefen fort, in die enge Gasse hinein, welche auf den Brückenkopf mündete, um andere zu holen, und es hatte sich schnell ein Publikum gebildet, welches uns im Halbkreis umstand.
Das schien dem Schut willkommen zu sein. Er fühlte sich jetzt sicherer als vorher, da er glaubte, sich auf den Beistand dieses Volkes verlassen zu können. Sein Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an, und seine schon an sich hohe Gestalt richtete sich noch höher auf. Man sah es ihm an, daß er ebenso gewandt wie kräftig sei. Im Ringkampf war er jedenfalls mehr zu fürchten als einer der Aladschy, welche nur über ihre rohe, ungeschulte Körperkraft zu verfügen gehabt hatten. Ich nahm mir vor, es nicht auf einen solchen Ringkampf ankommen zu lassen, sondern ihn gegebenenfalls mit einer Kugel so zu verwunden, daß er unfähig zur Verteidigung würde.
Endlich hatte der Stareschin die Papiere gelesen. Er drückte sie wieder an die Stirn und auch an die Brust, faltete sie zusammen und machte Miene, sie einzustecken.
„Halt!“ sagte ich. „Diese Dokumente sind mein Eigentum, nicht aber das deinige.“
„Aber du willst hierbleiben?“ fragte er.
„Ja.“
„So werde ich sie behalten, bis euer Prozeß beendet ist.“
„Nein, das wirst du nicht. Wie kannst du, ein einfacher Kiaja, es wagen, die Papiere eines Mannes, welcher so hoch über dir steht, an dich zu nehmen! Schon die bloße Absicht dazu ist eine Beleidigung für mich. Und was fällt dir ein von einem Prozeß zu sprechen! Du weißt jetzt, mit wem du sprichst, und ich werde dir sagen, was ich von dir fordere. Ich will dir entgegenkommen und diese Legitimation nicht zu mir selbst nehmen. Da ich bei dem Konakdschy Kolami wohnen werde, so mag er sie in Verwahrung nehmen. Gib sie ihm also. Er wird sie ohne meine ganz ausdrückliche Bewilligung nicht aus den Händen geben.“
Er gehorchte, wenn auch widerstrebend. Dann fuhr ich mit erhobener Stimme, so daß alle Umstehenden es hören konnten, fort:
„Und nun will ich mich ernstlich dagegen verwahren, daß einer von uns ein Pferdedieb genannt werde. Wir sind ehrliche Leute und kommen vielmehr zu dem Zweck, euch von dem größten Dieb dieses Landes zu befreien. Dieser Goldfuchs hat nicht dem Perser gehört, sondern einem Skipetaren, nämlich dem Barjactar Stojko Wites aus Slokuczie, welcher mit seinem Sohn nach Batera reiten wollte, um ihn dort zu vermählen. Sie kamen in das Teufelstal zum Köhler Scharka, welcher ein Untergebener des Schut ist und den Barjactar überfiel und beraubte. Er selbst blieb leben, aber sein Sohn wurde ermordet und verbrannt. Ich kann euch die Knochenreste zeigen. Dieser Panzer, welchen mein Begleiter einstweilen angelegt hat, dieses Schwert und dieser Dolch sind Teile des Raubes. Der Barjactar wurde zu Kara Nirwan geschleppt, um erst später ermordet zu werden, wenn es gelungen sein würde, ihm noch ein bedeutendes Lösegeld abzupressen.“
„Lüge, Lüge und tausendfache Lüge!“ schrie der Perser. „Dieses Pferd gehörte mir, und von einem Barjactar weiß ich nicht das geringste!“
„Die Lüge ist auf deiner Seite. Du hast den Barjactar im Schacht stecken, wo du auch diesen Inglis gefangenhieltest. Du hast diesen Inglis zu dem Köhler schaffen lassen, um ihm ein Lösegeld abzuzwingen und ihn dann zu töten. Es ist uns gelungen, ihn zu befreien, und nun kehrt er zurück, um dich anzuklagen.“
„Allah, Allah! Das soll ich hören und dulden! Ich soll ein Räuber und Mörder sein! Frage die Leute, welche deine Lügen hören! Sie werden dir sagen, wer ich bin. Und wenn du fortfährst, mich in einer so frechen Weise zu beschuldigen, so werden sie das nicht dulden, sondern mich beschützen. Nicht wahr, das werdet ihr, ihr Männer und Einwohner von Rugova? Könnt ihr ruhig zusehen, daß ein Fremdling, ein Christ, es wagt, mich, der ich der Wohltäter so vieler bin, in dieser Weise zu beschuldigen und anzuklagen?“
„Nein, nein!“ riefen mehrere Stimmen. „Fort, weg mit diesem Giaur! Er soll kein Wort mehr sagen dürfen!“
Ich ahnte, was nun kommen werde. Ich dachte mir, daß später große Eile notwendig sie, und darum gebot ich Halef leise, einstweilen die Pferde
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