Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
leerer Raum, aus welchem die kalte grausige Tiefe gähnte.
    Warum das? Warum lagen die Balken nicht eng beisammen? So fragte ich mich. In dieser Konstruktion des gefährlichen Steges mußte die Hinterlist liegen, welcher der Unberufene zum Opfer fallen sollte.
    Nach sechs oder acht Schritte, während deren ich mich über dem Abgrund befand, erreichte ich eine Stelle, welche meine Aufmerksamkeit erregte. Die drei Längsbalken waren hier nämlich durch einen Querbalken verbunden. Als ich denselben genau untersuchte, sah ich, daß er eine Achse bildete, welche sich in den an den beiden Seitenbalken dazu angebrachten Löchern bewegte. Nun war mir die Konstruktion klar. Wer einmal einen Zimmerplatz besucht hat und dort Kinder auf einem Balken, welcher quer auf einem andern lag, schaukeln sah, der kann sich leicht die Einrichtung dieses gefährlichen Steges erklären. Jetzt wußte ich auch, weshalb die beiden Seitenbalken da lagen, deren Zweck ich vorher nicht eingesehen hatte. Sie verbanden die beiden Ufer der Spalte miteinander. In ihrer Mitte trugen sie einen Querbalken, welcher eine bewegliche Achse bildete, auf welcher der Mittelbalken mit dem Brett lag. Dieser Mittelbalken lag nach dem Eingang des Stollens hin fest auf der Kante der Spalte auf, an seinem anderen Ende aber jedenfalls nicht. Infolgedessen konnte man bis zur Mitte des Steges, bis zu der Achse, sicher gehen. Sobald man aber weiterschritt, neigte sich der vorwärts liegende Teil der Brücke nach dem Abgrund hinab, während der rückwärts liegende Teil emporstieg; dann mußten alle, welche sich auf dem Steg befanden, in die grauenhafte Tiefe stürzen und dort jedenfalls zerschellen.
    Daß dieses auch mir geschehen würde, darauf hatte der Alim gerechnet.
    Ich wendete mich um und teilte den dreien dieses Ergebnis meiner Untersuchung mit.
    „So können wir also gar nicht hinüber?“ fragte der Konakdschy.
    „O doch, denn der Schut betritt diesen Stollen ja auch. Es muß also eine Vorrichtung geben, mittels deren dieser gefährliche Waagebalken an seinen beiden Enden befestigt werden kann, und wenn nicht an beiden, so doch wenigstens an dem drüben liegenden Ende. Wollen einmal nachschauen!“
    Ich kehrte zurück, und wir forschten nach. Ja, dieser Mittelbalken lag lose auf der Steinkante auf. Wir hoben sein Ende empor, und die andere Hälfte senkte sich hinab. Wir suchten vergebens nach einem Loch, Pflock oder Riegel, mittels dessen der Balken hier hüben an den Boden befestigt werden konnte.
    „So muß ich freilich hinüber“, erklärte ich.
    „Um Allahs willen! Du stürzest ja!“ rief der Konakdschy.
    „Nein. Ihr drückt hier den Balken so kräftig nieder, daß er nicht emporschnellen kann; dann kann er sich drüben nicht senken. Drei Männer von eurer Stärke werden mich doch halten können. Übrigens hänge ich an dem Strick. Kniet nieder und legt die Hände fest auf dem Balken auf. Ich gehe jetzt.“
    Es war mir nicht ganz wohl zumute, als ich nun abermals auf dem schmalen Brett über den Abgrund schritt; aber ich kam wohlbehalten drüben an. Dort sah ich auch sofort beim Licht der Laterne, auf welche Weise der Steg zu befestigen war. Das Ende des Balkens lag in der Luft – es erreichte die Kante der Spalte nicht; aber es waren zwei eiserne Ringe in demselben angebracht, und hüben und drüben hing je eine Kette mit einem Haken an der Wand des Stollens herab. Hakte man die Ketten in die Balkenringe, so wurde der Steg festgehalten und konnte nicht sinken.
    „Nun, hast du es gefunden?“ fragte der Konakdschy herüber.
    „Ja. Ich mache den Balken fest. Ihr könnt ohne Gefahr herüberkommen.“
    Durch kräftiges Zerren an den Ketten überzeugte ich mich, daß dieselben zuverlässig seien, und hakte sie dann ein. Die drei kamen herüber, sahen sich die einfache Vorrichtung an, und dann schritten wir weiter.
    Es versteht sich ganz von selbst, daß dies alles sehr langsam gegangen war, da von unserer Sorgfalt unser Leben abhing. Nun aber schritten wir desto schneller vorwärts. Meine Uhr sagte mir, daß, seit wir den Kahn verlassen hatten, weit über eine halbe Stunde verronnen war.
    Der stets aufwärtsführende Stollen bot keine Schwierigkeit mehr dar. Nach ungefähr drei Minuten gelangten wir in den bewußten runden, großen Raum. Der Fels hatte aufgehört. Wir sahen rund um uns riesige Mauern. Fünf Türen befanden sich da, vier sehr niedrige und eine hohe, schmale. Letztere hatte keinen Riegel, konnte also von uns nur durch Aufsprengen

Weitere Kostenlose Bücher