17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
gegen euch aufbringt, und tut ja nichts, bevor ich wieder bei euch bin.“
Es hatte sich eine ziemliche Menschenmenge angesammelt, und es war vorauszusehen, daß die Zahl noch anwachsen werde. Als der Wirt und ich die Waffen der Gefährten ergriffen hatten, wurden diese mit dem Schut in die Mitte genommen, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Nun traf ich mit dem Wirt die nötigen Vorkehrungen, ging dann voran an die Brücke und stieg in den Kahn. Er kam sehr bald mit zwei Knechten nach. Diese führten die Ruder; er setzte sich auf den Bugsitz und ich steuerte.
Obgleich wir nach der linken Seite wollten, steuerte ich doch nach dem rechten Ufer hinüber, weil wir dort nicht so starke Strömung hatten. Als wir sodann der betreffenden Stelle gegenüber angekommen waren, legte ich nach links um.
Jetzt hatten die Knechte alle ihre Kräfte anzustrengen, um nicht durch die reißende Flut abgetrieben zu werden. Ich mußte weit, weit über das Ziel aufwärts halten. Die Ruder bogen sich; sie drohten, zu zerbrechen; doch war meine größte Sorge, ob auch wirklich der Eingang des Stollens dort unter dem grünen Vorhang sein werde.
Wir befanden uns ein Stück oberhalb desselben. Jetzt ließ ich den Kahn abfallen und hielt grad auf das Loch zu. Befand sich keines dort und gab es nur Felsen, so mußte der Kahn zerschellen, mit so reißender Schnelligkeit wurden wir nach der Stelle getrieben.
„Die Ruder herein! Bückt euch!“ rief ich den Dreien zu.
Sie gehorchten augenblicklich. Ich selbst blieb aufrecht sitzen, da ich das Steuer hätte loslassen müssen. Jetzt waren wir nahe; noch zwei Bootslängen, noch eine – ich schloß die Augen, damit sie nicht von den Zweigen verletzt würden – ein Schlag ins Gesicht wie von einem weichen Rutenbesen – ich öffnete die Augen, – tiefe Dunkelheit um mich – ein Aufstoß vorn, der Kiel des Kahns knirschte – wir befanden uns in dem Stollen.
„Allah sei Dank!“ seufzte der Wirt tief auf. „Mir war ein wenig bang.“
„Mir auch“, antwortete ich. „Wären wir hier auf Felsen getroffen, so hätten wir ein gefährliches Bad erhalten. Wer nicht ganz ausgezeichnet schwimmt, würde hier verloren sein. Fühlt einmal an die Wand, ob ein Pflock da ist. Es soll sich einer hier befinden, um den Kahn anzuhängen.“
Der Pflock war wirklich vorhanden. Wir befestigten das Fahrzeug an demselben und zündeten die mitgebrachten Laternen an. Ihr Licht reichte hin, den Gang zu erleuchten, da derselbe niedrig und schmal war. Die Knechte steckten die auf Vorrat mitgebrachten Talgkerzen zu sich.
Ich nahm die eine der Laternen in die Linke und den Revolver in die Rechte und schritt voran. Wir konnten, da wir Licht bei uns hatten, von weitem gesehen werden, und es war ja immerhin möglich, daß sich einer der Knechte des Schut zur Bewachung der beiden Gefangenen hier unten befand.
Der Stollen war hoch genug, daß ich aufrecht gehen konnte. Seine Sohle war mit einem Pfad einzelner Bretter belegt. Wozu? Das konnte ich jetzt noch nicht begreifen. Wir gingen sehr langsam, weil ich zu unserer Sicherheit Schritt um Schritt untersuchen mußte. Vielleicht eine Viertelstunde war seit unserer Einfahrt verflossen, als wir uns von einer Luftschicht umgeben fühlten, welche um mehrere Grade kälter als die bisherige war.
„Wir nähern uns wahrscheinlich dem Spalt, von welchem der Alim gesprochen hat“, bemerkte ich. „Jetzt müssen wir doppelt vorsichtig sein.“
Nach nur wenigen Schritten gähnte uns eine breite Spalte an, welche quer über den Stollen schnitt. Ihre Tiefe war nicht zu erkennen und ihre Höhe ebensowenig. Bretter führten hinüber, eins vor das andere gelegt, nur anderthalb Fuß breit.
„Das ist der Ort, an welchem das Verderben wartet“, meinte der Konakdschy. „Herr, untersuche den Steg genau!“
„Gebt die Stricke her!“
Wir knoteten die vier Stricke, welche sie mitgebracht hatten, einzeln zusammen, nahmen sie dann doppelt und banden das eine Ende mir, unter den Armen hindurch, um die Brust fest, während das andere Ende von den dreien gehalten wurde. Mich niederbückend, so daß die Laterne den Boden beschien, schritt ich nun, denselben genau untersuchend, vorwärts.
So breit, wie der Spalt war, gab es natürlich keinen festen Boden. Es waren drei starke Balken hinübergelegt, je einer zur rechten und linken Seite und der dritte in der Mitte. Auf dem mittleren Balken lag das Brett. Zwischen diesem und den beiden Seitenbalken blieb ein mehr als fußbreiter
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