17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Häusern umgeben war, unter denen sich ein besseres Gebäude auszeichnete. Dieses war der Kahn Kolamis. Ein Seiler war auf dem Platz mit seiner Arbeit beschäftigt. Ein Schuster saß vor seiner Tür und flickte an einem Pantoffel herum. Daneben pickten Hühner und gruben Kinder mit ihren schmutzigen Patschen nach den Schätzen eines Düngerhaufens, und nicht weit davon standen einige Männer, welche ihr Gespräch unterbrochen hatten, um uns mit gierigen Blicken zu betrachten.
Auf einen unter ihnen paßte das Wort ‚neugierig‘ freilich nicht. Nicht Neugierde, sondern etwas ganz anderes, was ich lieber Entsetzen nennen möchte, war auf seinem Gesicht zu lesen.
Er trug die Tracht der mohammedanischen Skipetaren; kurze, glänzende Stiefel, schneeweiße Fustanella, rote, mit Gold verbrämte Jacke, auf deren Brustteilen silberne Patronenbehälter befestigt waren, einen blauen Gürtel, aus welchem die Griffe zweier Pistolen und eines krummgebogenen Handschars hervorsahen, und auf dem Kopf einen roten Fez mit goldener Quaste. Dieser Kleidung nach war er ein sehr wohlhabender Mann.
Sein hageres Gesicht mit außerordentlich kühn geschnittenen Zügen hatte eine intensiv gelbe Farbe – ‚schutt‘ nennt das der Serbe; ein dichter, schwarzer Bart hing ihm in zwei Spitzen fast bis auf die Brust herab, und tiefschwarz war auch die Farbe seiner Augen, welche weit offen und groß auf uns gerichtet waren.
Er hatte den Mund geöffnet, so daß seine weißen Zähne zwischen dem Bart hervorschimmerten, und seine Rechte hielt den Griff des Handschars umfaßt; dabei war sein Körper weit nach vorn gebeugt. Es hatte ganz das Aussehen, als ob er mit der Klinge sich uns entgegenstürzen wollte. Ich hatte ihn noch nie gesehen; aber ihn erblicken und erkennen, das war eins. Ich raunte dem Wirt zu:
„Das ist der Schut, der Gelbe, nicht?“
„Ja“, antwortete er. „Wie unwillkommen, daß er uns gleich sehen muß!“
„Mir ist es aber ganz willkommen, denn dadurch wird sich die Angelegenheit beschleunigen. Er erkennt mich an meinem Rappen; er erkennt den Goldfuchs und die Pferde der Aladschy; er weiß also jetzt nicht nur, daß wir entkommen sind, sondern daß sich auch der Köhler und die Aladschy unter unsern Händen befunden haben. Er ist überzeugt, daß unser Kommen ihm gilt, und da er blind sein müßte, um den Engländer nicht zu erkennen, welchen er im Schacht gefangengehalten hat, so kann er sich sagen, daß wir es zunächst auf diesen Schacht abgesehen haben werden. Paß auf! Der Tanz wird gleich beginnen.“
Wir beide ritten voran. Osco und Omar folgten uns. Halef war mit dem Lord ein wenig zurückgeblieben, und der Engländer hatte, da er sich mit dem Hadschi im Gespräch befand, nicht auf die Gruppe der Männer geachtet. Jetzt aber bemerkte er sie. Er hielt sein Pferd an und fixierte den Perser.
Wir konnten den Vorgang gut beobachten, weil wir mittlerweile vor der Tür des Khan angekommen und von den Pferden gestiegen waren. Nicht mehr als zwölf Schritte von uns entfernt standen die Männer. Ich sah, daß der Schut die Lippe an den Zähnen wetzte. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck des Grimmes und zugleich der Angst.
Da gab Lindsay seinem Pferd die Sporen, schoß herbei und parierte den Fuchs so nahe an dem Schut, daß er diesen fast umgerissen hätte. Dann begann er, eine Rede loszulassen, welche alles enthielt, was er an englischen Kraftausdrücken wußte und an arabischen und türkischen Schimpfwörtern gesammelt hatte. Sie strömten ihm so schnell vom Mund, daß die einzelnen Ausdrücke gar nicht verstanden werden konnten. Dazu gestikulierte er mit Armen und Beinen vom Pferd herab, als wäre er von einem bösen Geist besessen.
„Was will dieser Mann?“ fragte einer aus der Gruppe.
„Das ist der Stareschin“, erklärte der Wirt.
„Ich weiß es nicht; ich verstehe ihn nicht“, antwortete der Schut dem Frager. „Aber ich kenne ihn und wundere mich sehr, ihn wieder hier zu sehen.“
„Ist das nicht der Inglis, welcher mit seinem Dolmetscher und seinen Dienern bei dir wohnte?“
„Ja. Ich habe dir noch gar nicht gesagt, daß er mir diesen Goldfuchs gestohlen hat und mit demselben verschwunden ist. Du wirst die Güte haben, ihn zu arretieren.“
„Sogleich! Wir wollen diesen fremden Giaurs das Pferdestehlen verleiden.“
Er trat zu Lindsay heran und erklärte diesem, daß er arretiert sei. Der Lord verstand ihn aber nicht; er fuhr fort zu schreien und zu gestikulieren, und stieß, als der
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