17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Wunder geschehen am heutigen Tag! Die Undankbarkeit kleidet sich in das Gewand des Stolzes, und das Verdienst wird mit dem Auswurf der Kamele und Schafe beworfen! Mein Effendi ist der weiseste der Weisen und der tapferste der Tapferen. Er hat für diejenigen, welche ihn begleiteten, stets wie ein Vater und eine Mutter gesorgt, für sie gewacht und alle Gefahren auf sich genommen. Ich, Hadschi Halef Omar, will hier nicht aufzählen, was er auch für euch getan hat; ihr seid ihm Dank schuldig jetzt und in alle Ewigkeit. Aber anstatt ihm diesen zu zollen, werft ihr ihm eine Anklage entgegen, welche ich augenblicklich rächen würde, wenn ich nicht einer der Eurigen geworden wäre. Nicht er hat den Verstand verloren, sondern euch ist er abhanden gekommen. Mein Effendi weiß stets, was er sagt. Er sieht jetzt eine große Gefahr voraus, eine Gefahr, in welcher ihr untergehen werdet, wenn ihr nicht auf ihn hört. Eure Köpfe sind bis heute frei gewesen von falschen Gedanken. Aber seit ihr dieses Grab erblickt habt, sind die Teufel der Blutrache über euch gekommen, haben euer Herz betört und eure Augen blind gemacht. Es ist, als ob euch ein böses Sachuna (hitziges Fieber) überfallen habe, in welchem ihr tolles Zeug redet und wie unvernünftige Geschöpfe handelt. Ich bitte euch, den Effendi anzuhören! Ihr werdet ihm gewiß und sicher recht geben!“
„Nein, wir mögen nichts mehr von ihm hören!“ rief Amad el Ghandur, indem er beide Hände abwehrend ausstreckte. „Er hat dein Herz betört, und du bist seines Glaubens geworden; darum redest du für ihn. Wir brauchen weder ihn noch dich. Die Blutrache ist ein heiliges Gebot; du aber bist ein von Allah Abtrünniger. Bleibe bei deinem Effendi; wir haben nichts mehr mit euch zu tun!“
Da avancierte Halef noch einen Schritt und antwortete:
„Ja, ich bin abgefallen von der Lehre, welche Blut und Rache gebietet, und ein Sohn der Liebe geworden, welche selbst den Unwürdigen umfängt. Darum will ich euch das, was ihr jetzt redet und tut, nicht entgelten lassen, sondern weiter über euch wachen, damit ihr nicht in eurem Irrtum untergeht. Hier stehe ich; ich halte zu meinem Effendi, dem ich treu sein werde, so lange ich lebe, denn ich bin Hadschi Halef Omar, der von euern grausamen und blutigen Gesetzen nichts mehr wissen mag!“
Da stellte sich Omar an seine Seite und sagte:
„Und ich bin Omar Ben Sadek, auf dessen Namen nie ein Makel lastete. Ihr habt unsern Emir Kara Ben Nemsi Effendi beleidigt; ich halte zu ihm; die Folgen aber werden über euch kommen!“
Und nun geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. Nämlich Halefs kleiner Sohn trat an die andere Seite seines Vaters und rief mit seiner jugendlich hellen Stimme:
„Und ich bin Kara Ben Halef und halte auch zu dem Effendi, dessen Namen ich trage. Er ist größer, als ihr alle seid!“
„Ruah ya mesach – geh, du Zwerg“, lachte Amad grimmig, „um so kleiner bist dann du! Wer unter dem Schutz eines solchen Knaben steht, kann wahrlich stolz auf seine Tapferkeit und Klugheit sein!“
„Ja, stolz bin ich allerdings“, antwortete ich, „doch nicht auf diese beiden Eigenschaften, sondern darauf, daß dieser Knabe, dessen ich mich erst seit einigen Tagen angenommen habe, trotzdem schon einen schärferen Blick besitzt als ihr, die ihr euch erwachsene und erfahrene Krieger nennt. Du hast mich von dir gewiesen; wohlan, ich trenne mich von euch, doch nur auf wenige Schritte, denn ich weiß, daß ihr meiner Hilfe bedürfen werdet. Du hast vorhin in deiner Halsstarrigkeit das Wort gesagt: Ich gehöre an das Grab meines Vaters; ich bleibe hier! Siehe zu, daß es nicht in der Weise in Erfüllung geht, daß du für immer hier zu bleiben hast!“
Ich wendete mich ab und führte meinen Rih von den andern Pferden fort; das war das Zeichen der ausgesprochenen Trennung; Halef, sein Sohn und Omar holten ihre Pferde auch. Da stand der Engländer, welcher bisher, am Boden sitzend, stumm zugehört hatte, auch auf, brachte sein Pferd herbeigeführt und fragte mich:
„Hört einmal, wertester Sir Kara Ben Nemsi, was ist denn hier für ein Teufel los? Habt Ihr Euch von den Haddedihn getrennt?“
„Ja.“
„Warum?“
„Weil sie mich als Anführer abgesetzt haben. Die vier nämlich, welche vorhin auf der Jagd gewesen sind, haben zwei Bebbehkurden getroffen, welche sie aber für Sorankurden halten. Ich riet, ein anderes Lager zu beziehen; sie bleiben aber hier.“
„All Devils! Da kann es etwas absetzen, nicht? Wollt
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