17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Finger gebracht und außerdem um eine Ecke von meinem Kopf. Ich will keineswegs ein Bluträcher sein, aber es klingt doch auch nicht übel, wenn man sagen kann: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Finger um Finger, Ecke um Ecke. Wenn sie uns in Ruhe lassen, werde ich ihnen nichts tun, halten sie es aber für gut, sich mit mir zu boxen, so sollen sie Hiebe bekommen, daß die Schwarten fliegen! Also, ich darf jetzt mit Euch gehen?“
„Meinetwegen. Da Ihr Euch mit den Beduinen doch nicht recht unterhalten könnt, würde Euch hier die Zeit zu lang werden.“
„Und wer geht noch mit?“
„Halef natürlich.“
„Und sein Boy?“
„Wahrscheinlich, denn den läßt sein Vater doch nicht zurück.“
„Well, hat sehr recht. Der Junge ist ein ganz tüchtiger Kerl und will von Euch lernen. Nehmt ihn also immer mit!“
Der kleine Kara Ben Halef freute sich allerdings sehr, als er hörte, daß er mit seinem Vater uns begleiten dürfe. Wir vier stiegen den Berg hinab, nachdem ich Amad el Ghandur gebeten hatte, ja seine Leute nicht auf die Jagd gehen zu lassen. Ich traute ihm aber nicht so recht, denn seit er sich am Grab seines Vaters befand, schien er nicht nur abermals auf Rache zu sinnen, sondern auch gegen mich steifsinnig geworden zu sein.
Als wir unten im Tal angekommen waren, drangen wir in den Wald ein, welcher den erwähnten Höhenzug bedeckte. Dort hatte ich damals auch gejagt. Ich hatte mich für diese Richtung entschieden, weil die Kurden, wenn sie nahten, aus einer andern kommen mußten.
Wir hatten Glück. Halef war ein guter Jäger geworden; der Lord verstand sich auch auf das edle Weidwerk, und der kleine Kara Ben Halef machte seine Sache so gut, daß ich ihn öfters loben konnte. Nach Verlauf von vier Stunden stiegen wir, mit reicher Beute beladen, wieder zur Felsenhöhe empor.
Oben angekommen, sah ich, daß ein Feuer brannte, über welchem ein frischer Braten schmorte.
„Also ist doch jemand von euch fort gewesen?“ fragte ich Amad el Ghandur. „Ich hatte doch gebeten, dies zu unterlassen!“
„Sollen wir hier sitzen und faulenzen, während ihr euch plagt?“ antwortete er. „Du erlaubst diesem Knaben, Wild zu holen, und den erwachsenen Kriegern soll es nicht gestattet sein!“
„Der Knabe befand sich bei mir; da war ich sicher, daß er keinen Fehler beging.“
„Die vier Männer, welche ich fortschickte, haben auch keinen begangen.“
„Das ist fraglich. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn sie den Gang unterlassen hätten.“
„Nein! Es ist im Gegenteil grad sehr vorteilhaft für uns, daß sie ihn unternommen haben, denn sie haben eine sehr wichtige Botschaft mit zurückgebracht.“
„Ah? Welche?“
„Daß die Bebbehkurden heuer nicht kommen. Du siehst also, daß deine große Ängstlichkeit gar keinen Grund hatte!“
Er lächelte mich dabei ein wenig von oben herab an. Mir schien die Sache nicht ganz geheuer zu sein; darum antwortete ich:
„Von Ängstlichkeit kann keine Rede sein. Ich bin vorsichtig, aber Angst habe ich nicht. Du gebrauchst den Ausdruck ‚Botschaft‘. Zu einer Botschaft gehören aber zwei, einer, der sie gibt, und einer, der sie weiterträgt. Von wem haben deine Leute diese Botschaft erhalten?“
„Von zwei Sorankurden.“
„Ah! Wo haben sie diese getroffen?“
„Unten am Wasser, wo der Kampfplatz war.“
„Kuli Schejatin – alle Teufel!“ brauste ich da auf, ganz gegen meine Gewohnheit, da ich mich sonst in jeder Lage bestrebe, gelassen zu sein. „Wer hat ihnen denn erlaubt, grad diesen Platz wieder aufzusuchen?“
„Ich!“ antwortete er, indem er einen festen, beinahe herausfordernden Blick in mein Gesicht bohrte.
„So, du! Ich war aber doch schon einmal und überhaupt dagegen, diesen Ort zu besuchen. Ihr habt es doch getan, und so sollte dieser zweite Besuch wenigstens aus Achtung gegen mich vermieden werden!“
„Ich streite mich nicht mit dir. Wenn du etwas erfahren willst, so frag hier Battar; er wird dir Auskunft geben.“
Er wendete sich von mir ab. Ich antwortete ihm:
„Es ist keineswegs meine Absicht, mich mit dir zu streiten. Aber blicke dieses Grab an, in welchem dein Vater ruht; es sollte dir und euch allen eine Warnung sein. Mohammed Emin ist nur darum hier begraben, weil ihr euch damals nicht mehr nach meinen Vorschlägen richten wolltet. Ihr hattet mich freiwillig zu eurem Anführer erkoren, und so lange ihr euch nach mir richtetet, wurden alle Gefahren glücklich überwunden. Ich bin ein Christ und als solcher stets gegen
Weitere Kostenlose Bücher