17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
das unnötige Töten eines Menschen gewesen; ihr aber lechztet damals nach Blut und empörtet euch gegen meine wohlgemeinten Ratschläge. Das rächte sich an euch, denn ihr mußtet es mit dem Blut des Scheiks Mohammed Emin bezahlen.“
Ich hielt inne. Niemand sagte ein Wort; darum fuhr ich fort:
„Jetzt habt ihr mich wieder zu eurem Anführer gewählt, ganz gegen meinen Willen, denn ich schlug Amad el Ghandur als solchen vor. Ihr seid mir gefolgt, wie ich euch führte, und es ist alles gut gegangen. Nun raucht euch plötzlich das Blut des toten Scheiks um die Köpfe; es benebelt euren Verstand und macht euch widerspenstig gegen mich. Bedenkt wohl, was ihr tut! Ich bin mit euch ausgezogen, um alle Not und Gefahr mit euch zu teilen; ich werde euch auf keinen Fall verlassen, aber wenn ich sehe, daß ihr meinen Willen nicht mehr achtet und Dummheiten begeht, welche uns unser Leben kosten können, so kann ich nicht länger euer Anführer sein.“
Amad el Ghandur kehrte mir den Rücken zu und sagte nichts; Battar aber, der Haddedihn, an welchen er mich gewiesen hatte, fuhr zornig auf:
„Dummheiten, Effendi? Wärst du es nicht, der dieses Wort sagt, so würde ich hier mit meinem Dolch antworten! Ein Krieger der Haddedihn vom Stamm der Schammar begeht keine Dummheiten.“
„Du irrst“, antwortete ich ihm ruhig. „Ich könnte euch eine ganze Reihe von großen Fehlern, ja von Dummheiten herzählen, welche von berühmten Haddedihn begangen worden sind. Wer seine Fehler nicht erkennen will, wird niemals klüger werden, und unternimmt er es gar, sie zu verteidigen, so ist es noch schlimmer mit ihm bestellt. Ich halte es für meine Pflicht, euch die Wahrheit zu sagen; wollt ihr sie nicht hören, so kann ich euch nicht helfen. Jetzt möchte ich wissen, wie ihr mit diesen sogenannten Sorankurden zusammengetroffen seid und was ihr mit ihnen gesprochen habt.“
Amad el Ghandur rührte sich noch immer nicht; seine Leute blickten finster vor sich nieder, und Battar, an welchen ich mich mit meinen letzten Worten gewendet hatte, antwortete nicht. Das Herz begann mir weh zu tun; ich hatte das sichere Gefühl, daß die Starrsucht dieser Leute üble Folgen haben werde. Jedenfalls hatten sie sich während meiner Abwesenheit dahin besprochen, bei einer Begegnung mit den Bebbehkurden meinen menschenfreundlichen Ratschlägen nicht zu gehorchen. Ich mußte meine Aufforderung noch einmal an Battar richten, ehe er sich herbeiließ, mir Auskunft zu erteilen:
„Wir stiegen in das Tal hinab, um am Fluß nach wildem Geflügel zu suchen; da kamen die beiden Sorankurden.“
„Saht ihr sie eher oder sie euch?“
„Wir sie.“
„Wie verhielten sie sich, als sie euch dann erblickten?“
„Sie stutzten und hielten ihre Pferde an. Wir gingen auf sie zu und winkten ihnen, daß wir friedlich gesinnt seien. Da ließen sie uns bis zu sich herankommen.“
„Wie waren sie bewaffnet?“
„Mit Gewehren, Messern und Pistolen.“
„Was hatten sie für Pferde?“
„Sehr gute. Sie begrüßten uns sehr freundlich und fragten uns, wer wir seien.“
„Antwortetet ihr ihnen darauf?“
„Nicht sogleich. Wir verlangten zuvor zu wissen, zu welchem Stamm sie gehörten. Da erfuhren wir, daß sie Sorankurden seien.“
„Habt ihr euch nach dem Lagerplatz ihres Stammes erkundigt?“
„Ja; sie weiden ihre Herden am Bela-Druz-Kanal.“
„So weit im Süden von hier? Und sie kamen von Norden? Wo waren sie gewesen?“
„Das fragten wir nicht.“
„Wo wollten sie hin?“
„Zu ihrem Stamm. Nun erst, als wir dies wußten, sagten wir ihnen, daß wir Haddedihn seien.“
„Sagtet ihr ihnen auch noch mehr?“
„Ja, denn die Sorankurden sind die Feinde der Bebbeh. Wir brauchten uns also gar nicht zu scheuen. Sie freuten sich sehr, als sie hörten, weshalb wir uns hier befinden, denn sie hatten von dem Ruhm Mohammed Emins gehört. Ja, sie waren ganz entzückt, als wir ihnen sagten, daß ein Stammesgenosse von ihnen damals hier der Führer Amad el Ghandurs geworden sei und ihn auf seinem Rachezug begleitet habe.“
„Da habt ihr ihnen wohl erzählt, was damals hier alles geschehen ist?“
„Natürlich! Sie fühlten solche Teilnahme dafür, als ob sie selbst zu unserem Stamm gehörten.“
„Und habt ihr ihnen auch gesagt, wer jetzt hier ist?“
„Ja. Sie fragten uns danach. Wir sprachen von dir, vom Hadschi Halef Omar und seinem Sohn Kara Ben Halef, von Ahmad el Ghandur, von dem Inglis, welcher damals auch dabei gewesen und verwundet worden
Weitere Kostenlose Bücher