17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
ist. Sie waren so freundschaftlich zu uns, daß sie sich sogar nach deinem berühmten Rih erkundigten, ob du wieder auf ihm reitest.“
„Da habt ihr ihnen natürlich auch die gewünschte Auskunft erteilt?“
„Ja. Sie freuten sich sehr über unsere edlen Pferde, über den jungen Hengst von Kara Ben Halef und über die Stute Amad el Ghandurs.“
„Und dann? Sprich weiter!“
„Und dann? Nun, dann ritten sie fort.“
„Wohin?“
„Zurück.“
„Zurück? Also nach Norden, woher sie gekommen waren?“
„Ja.“
„Ich denke aber doch, daß sie südwärts zu ihrem Stamm wollten?“
„Freilich wohl, Emir; aber der eine bemerkte, während wir miteinander sprachen, daß er seinen Dolch aus dem Gürtel verloren hatte. Das war ein altes, kostbares Erbstück, welches er unmöglich aufgeben konnte. Sie mußten also zurück, um den Dolch zu suchen.“
„Aber von den Bebbeh habt ihr doch auch gesprochen. Was habt ihr da erfahren?“
„Wir sagten, daß wir auf die Ankunft der Bebbeh gerüstet seien, weil wir erfahren hätten, daß diese alljährlich hierhergekommen sind. Da sagten uns die Sorans, daß die Bebbeh heuer nicht kommen könnten.“
„Was für einen Grund gaben die an?“
„Die Bebbeh liegen grad jetzt mit den Piran-Kurden vom Bulbastamm im Streit; es kann täglich ein Zusammenstoß stattfinden, und so wirst du begreifen, Effendi, daß sie keine Zeit haben, hierher zu kommen.“
„Schön! Was habt ihr noch mit ihnen gesprochen?“
„Weiter nichts. Was wir dir erzählt haben, ist alles. Nun gibst du wohl zu, daß deine Sorge umsonst gewesen ist und daß Amad el Ghandur, unser Scheik, recht gehabt hat?“
Diese Frage wurde im Ton großer Befriedigung ausgesprochen, und nun machte Amad el Ghandur endlich auch eine Bewegung; er drehte sich langsam um und warf mir einen stolzen, triumphierenden Blick zu. Ich tat, als ob ich dies nicht bemerkt hätte, und antwortete:
„Ich sehe ein, daß Amad el Ghandur sehr unrecht gehabt hat.“
Da fuhr Amad halb empor und rief mir zornig zu:
„Unrecht? Wenn du nach dem, was du jetzt gehört hast, dieses Wort aussprichst, so ist dir der Verstand abhanden gekommen, und ich sehe ein, daß es besser ist, dir das Kommando abzunehmen. Denn wenn wir uns weiter nach dir richten, können wir leicht dem Verderben entgegenreiten.“
„Ich bitte dich, dich nicht aufzuregen, sondern ruhig zu bleiben! Selbst wenn ich den Verstand verloren hätte, reichte doch der kleine Rest, welcher mir davon übrig geblieben sein würde, aus, einzusehen, daß ihr mit aller Gewalt ein böses Verhängnis auf euch herabbeschwören wollt. Wenn ihr so weiter – – –“
„Schweig!“ fuhr er mich an, indem er vollends aufsprang. „Du, nur du würdest dieses böse Verhängnis sein, wenn wir weiter auf dich hören wollten. Du magst tun, was dir beliebt, und gehen, wohin du willst; wir folgen dir nicht; wir brauchen keinen andern Lagerplatz. Die Bebbeh kommen nicht, ich gehöre an das Grab meines Vaters, ich bleibe hier!“
Ich wollte auch aufbrausen, beherrschte mich aber und sagte in ruhigem Ton:
„So laß dir doch wenigstens meine Gründe sagen, weshalb ich – – –“
„Nichts, nichts mag ich hören“, wehrte er ab, indem er mich abermals unterbrach. „Du hast uns vorgeworfen, daß unser damaliges Verhalten den Tod meines Vaters verschuldet habe. Es ist aber ganz anders: hättest du uns erlaubt, auf die Bebbeh zu schießen und ihren Scheik Gasahl Gaboya zu töten, so hätten sie nicht mehr gelebt und uns nicht verfolgen können. Du also bist schuld, du allein, ganz allein! Ich klage dich an des Todes meines Vaters und mag nichts mehr von dir wissen. Ich gebiete dir, dich von uns zu trennen!“
Er streckte den Arm befehlend aus; seine Augen blitzten; er war das lebendig gewordene Bild des rücksichtslosesten, keiner Überlegung mehr fähigen Zornes. Ich kann nicht etwa bloß sagen, daß er mir leid tat, denn das, was ich jetzt empfand, war viel, viel mehr. Seine Leute hatten sich auch von ihren Plätzen erhoben; sie waren zu ihm getreten, mir damit anzudeuten, daß sie ganz seiner Meinung seien. Nur Halef, sein Sohn, Omar Ben Sadek und der Engländer befanden sich bei mir. Sollte ich auf die schwere Anschuldigung Amad el Ghandurs antworten oder nicht? Noch war ich mit mir nicht darüber einig geworden, da sprangen Halef und Omar auf; der erstere trat einige Schritte vor, räusperte sich, wie es so seine Angewohnheit war, und rief:
„Allah l' Allah! Welche
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