17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Ihr mir wohl sagen, was – – –“
„Jetzt nicht“, fiel ich ihm in die Rede, „später. Ich muß sogleich fort, den beiden Bebbeh nach; ich nehme Halef und seinen Sohn mit – – –“
„Was, diese? Warum nicht mich?“ unterbrach er mich.
„Weil ich einen sichern Mann hier bei den kostbaren Pferden haben muß, und Ihr seid doch der sicherste“, antwortete ich.
„Well, schön, ich bleibe“, erklärte er sehr befriedigt, obwohl ich ihn nur deshalb nicht mitnahm, weil ich dachte, daß er da Dummheiten machen würde.
Einige Minuten später stieg ich mit Halef und seinem Sohn wieder von der Höhe ins Tal hinab. Bis wir hinunterkamen, fiel mir nichts auf, weil der Weg meist felsig war; unten aber fiel mein Auge auf die Spuren, welche die vier Haddedihn, welche jagen gewesen waren, gemacht hatten; ich sah ihre hingehende und zurückkehrende Fährte. Daneben aber gab es noch die Eindrücke zweier Menschen, welche nicht in den Felsenpfad, sondern seitwärts von demselben einbogen und da zur Höhe führten.
„Kannst du dir denken, wer hier gegangen ist?“ fragte ich Halef.
„Nein, Effendi“, antwortete er. „Da du mir deine Meinung noch nicht mitgeteilt hast, weiß ich noch nicht, von welchem Gedanken ich auszugehen habe.“
„Von dem Gedanken, daß die beiden Kurden, welche sich für Sorans ausgegeben haben, Bebbehs gewesen sind.“
„Maschallah! Das denkst du?“
„Ja.“
„Aus welchem Grund?“
„Es gibt mehrere Gründe. Zunächst gibt es keinen Stamm der Soran mehr.“
„Das ist richtig, Sihdi. Dieser Stamm ist ja von den Bebbeh vernichtet worden, so daß nur einzelne Männer übrig blieben, die sich noch heut verbergen müssen. Daran dachte ich gar nicht.“
„Wie kann also ein Stamm der Soran unten am alten Kanal Bela-Druz seine Herden weiden!“
„Dort hat es überhaupt niemals Kurden, sondern stets nur arabische Stämme gegeben. Die vier Haddedihnjäger sind schmählich belogen worden.“
„Und so dumm gewesen, die Lügen zu glauben. Die zwei Kurden waren die Kundschafter, die Quartiermacher der Bebbeh, welche heute wie alle Jahre kommen und, um sicher zu gehen, zwei Krieger vorausgesandt haben. Diese Späher haben es unsern Jägern natürlich sofort an den Stammeskennzeichen angesehen, daß sie Haddedihn sind und sich infolgedessen für Sorans ausgegeben, sie haben sie ausgefragt, alles erfahren und sich dann die Lüge von dem verlorenen Dolch ausgesonnen, um unauffällig wieder zurückkehren zu können. Dann haben sie an einem passenden Ort ihre Pferde versteckt und sind hierher zurückgekehrt, um sich nach oben zu schleichen und uns zu sehen. Ihre Fährte führt hier hinauf, aber nicht wieder herab; ich will doch nicht denken, daß sie noch oben sind! Bleibt hier stehen; ich muß Gewißheit haben.“
Ich schlich mich an Büschen und Felsen vorüber wieder hinauf. Es war sehr schwer, auf dem harten Boden die Spur zu verfolgen; es gelang mir aber doch. Da sah ich, daß sie uns beobachtet und vielleicht auch unsere Verhandlungen gehört und verstanden hatten, da von uns so laut und erregt gesprochen worden war; dann führte ihre Fährte seitwärts wieder in die Tiefe. Da gab es Gras; sie war also deutlich zu sehen; ich schätzte sie kaum eine Viertelstunde alt und rief Halef und seinen Sohn herbei, um sie ihnen zu erklären. Wie stolz war der wackere Hadschi darauf, daß seinem Kara die große Ehre widerfuhr, auf dem jetzigen, gefährlichen Gang mitgenommen zu werden!
Wir folgten nun zusammen der Spur. Sie strich quer durch die andern Stapfen nach dem Begräbnisplatz am Wasser hin und führte dann nach Norden, sich erst immer nahe ans Ufer haltend. Natürlich fiel sie von nun an mit derjenigen Spur zusammen, welche die beiden Bebbeh gemacht hatten, ehe sie die vier Haddedihn trafen. Wir hatten also alte, herwärts kommende und neue, wieder zurückführende Eindrücke vor uns.
Es dauerte nicht lange, so kamen wir an ein Gebüsch, wo die Bebbeh ihre beiden Pferde versteckt gehabt hatten. Sie hatten diese natürlich hervorgeholt und wieder bestiegen. Sie waren, wie wir sahen, von hier an Galopp geritten, um den Ihrigen die wichtige Nachricht möglichst bald zu bringen. Ich erklärte im Weiterschreiten meinem kleinen Schüler alles, was ihm noch nicht verständlich war, und hatte dabei meine helle Freude über sein gutes, scharfes Fassungsvermögen.
Von dem Versteck der Pferde aus waren wir wohl eine gute halbe Stunde lang dem Lauf des Flusses gefolgt, jede Deckung
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