17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
sorgfältig für uns benutzend; da kam der Wald von der Höhe herabgestiegen und bildete einen am Fluß liegenden grasigen Platz, welcher an den drei anderen Seiten von Bäumen umgeben war.
„Hier müssen wir uns verstecken“, sagte ich.
„Warum gerade hier?“ fragte Halef.
„Weil die Bebbeh hier ihr Nachtlager aufschlagen werden.“
„Effendi, bist du allwissend?“
„Nein, aber ich ziehe aus den gegebenen Umständen meine Folgerungen. Es ist nicht mehr ganz eine Stunde bis zum Untergang der Sonne; dann müssen die Kurden lagern.“
„Werden sie nicht vielleicht weiterreiten bis in die Nähe des Felsengrabes?“
„Nein, denn es ist da noch dunkel; der Mond geht erst später auf. Vielleicht benutzen sie seinen Schein, um sich uns dann zu nähern. Jedenfalls aber bleiben sie vorerst hier.“
„Warum nicht weiter oben, so daß wir, um sie zu sehen, noch weiter zu gehen hätten?“
„Siehst du denn nicht, daß die beiden Kundschafter hier abgestiegen sind? Die vielen Stapfen sagen dir, daß sie den Platz und auch den angrenzenden Waldessaum durchsucht haben. Welch ein anderer Grund könnte hierzu vorhanden sein, als daß sie die Ihren bis hierher führen wollen?“
„Du hast recht, wie immer, Effendi. Was werden wir nun tun? Sie belauschen, um zu hören, was sie reden werden?“
„Das möchte ich allerdings sehr gern. Wollen sehen, ob sich die Möglichkeit dazu bietet. Wir verstecken uns im Wald, bis sie kommen.“
Wir drangen links in den Forst ein, bis es da ein Buschwerk gab, welches uns, als wir hineingekrochen waren, vollständig verbarg.
Ich war außerordentlich gespannt darauf, ob die Kurden wirklich da, wo ich es vermutete, anhalten würden. Halef teilte diese Neugierde und sein Sohn natürlich auch.
Da wir nichts weiter tun als warten konnten, unterhielten wir uns leise miteinander, und ganz selbstverständlich war das Verhalten der Haddedihn und ihres Scheiks der Gegenstand unseres Gesprächs. Der kleine Hadschi ärgerte sich gewaltig und erging sich in den kräftigsten Ausdrücken über diese unvorsichtigen Menschen. Noch mehr aber, weit mehr, bedrückte ihn der Gedanke, daß ich so sehr gekränkt worden war. Ich mochte ihm wieder und immer wieder versichern, daß ich jetzt weder Ärger noch Kränkung fühle, sondern nur eine Verpflichtung, über die Leute zu wachen, deren Augen blind und taub geworden waren, er glaubte es nicht und gab sich alle Mühe, mich zu beruhigen, zu trösten und seiner Treue und Anhänglichkeit zu versichern. Es war unendlich rührend, wie er eng neben mir lag und sich wie ein Hund an mich schmiegte, meine Hand in seinen beiden hielt und sich bemühte, seiner leisen Stimme den zärtlichsten Ausdruck zu geben. Ich brauchte weder Trost noch Beruhigung, denn ich grämte mich nicht und fühlte auch keine Erregung mehr; aber diese treue, hingebende Liebe ließ mich die Befürchtungen, welche ich hegte, weniger schwer empfinden.
Ich hatte jene unbestimmte Ahnung von dem unaufhaltbaren Nahen eines traurigen Ereignisses, welche mich noch nie betrogen hat, sondern stets in Erfüllung gegangen ist; daher die letzten Worte, welche ich Amad el Ghandur zugerufen hatte. Für mich fürchtete ich nichts, sondern es war ein Etwas in mir, welches mir sagte, daß er es sei, der sich zu hüten habe. Ich nahm mir vor, alles zu tun und selbst mein Leben zu wagen, um das Drohende von ihm abzuwenden.
Der Abend senkte sich nieder, und es wurde dunkel um uns; da hörten wir Pferdegetrappel; die Kurden kamen. Der Hufschlag ging nicht weiter; ich hatte mich also nicht getäuscht; sie hielten auf dem von mir vorher bestimmten Platz an.
„Sihdi, du hast richtig vermutet; sie steigen von den Pferden. Wollen wir hin?“
„Du nicht und auch Kara Ben Halef nicht. Ihr würdet euch unnötig in Gefahr begeben, da ihr die kurdische Sprache nicht versteht. Ich gehe allein.“
„Gut; aber wenn du nicht bald wiederkommst, folge ich nach!“
„Keine Unvorsichtigkeit, Halef! Ich will sie belauschen und muß also so lange warten, bis sie von dem reden, was ich hören will. Darüber können Stunden vergehen.“
„Ich werde dir gehorchen; aber wehe ihnen, wenn sie dich erwischen! Ich steche und schieße sie alle nieder, alle!“
Ich hatte mir die Art und Weise, in welcher ich mein Vorhaben ausführen wollte, schon zurecht gelegt. Das Frühlingswasser hatte nämlich vom Berg herab und durch den Wald einen Rinnsal, einen ziemlich tiefen, natürlichen Graben gerissen, in welchem es dem Fluß
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