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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meine Frau erzählt mir, daß ihr sie bedroht habt. Das darf ich nicht dulden. Wir haben, indem wir diesen Kranken bei uns aufnahmen, ein Werk der Barmherzigkeit getan, und ihr habt kein Recht, uns das vorzuwerfen.“
    „Wer hat einen Vorwurf ausgesprochen?“
    „Du!“
    „Das ist nicht wahr. Sie hat ihn uns verheimlicht.“
    „Was geht das euch an? Können wir nicht tun, was uns beliebt?“
    „Das könnt ihr wohl; aber wenn ich den Schrei eines Menschen höre und es wird mir auf meine Frage gesagt, daß niemand da sei, so muß ich wohl argwöhnisch werden. Ich muß glauben, daß ein Mensch sich in Gefahr befindet, und um ihn zu retten, bin ich hier eingetreten, obgleich deine Frau es mir nicht erlauben wollte.“
    „Weil du sein Todfeind bist!“
    „Auch das ist erlogen. Wir haben ihn geschont, obgleich er uns nach dem Leben trachtete. Ich habe ganz und gar nicht die Absicht, ihm Böses zu erweisen. Ich bin sogar erbötig, ihm beizustehen, wenn es noch möglich ist. Schafft ihn in die Stube! Dort ist es leichter, ihn zu pflegen. Ich werde seine Wunde untersuchen. Kann ihm noch geholfen werden, so soll es mich freuen. Ich raube keinem Menschen das Leben, wenn es nicht in Verteidigung meines eigenen Lebens geschehen muß.“
    „Du wirst ihn ehrlich untersuchen und ihm keine Medizin geben, die ihn vollends umbringt?“
    „Er empfängt gar keine Medizin. Nur kunstgerecht verbunden soll er werden. Also tragt ihn sofort hinein. Ich warte hier auf dich, denn ich habe dann wegen des Pferdes mit dir zu sprechen.“
    Erst jetzt, als er von den Spänen mehr beleuchtet wurde, sah ich, daß er ein Päckchen in der Hand hatte. Ich erkannte es sogleich und machte Halef auf dasselbe aufmerksam, indem ich ihm einen heimlichen Wink gab.
    Der Konakdschy, der Kohlenhändler und dessen Frau hoben den Mübarek vom Boden auf und trugen ihn an uns vorüber. Der Verwundete war ohne Besinnung, schien aber die ihm verursachten Schmerzen zu fühlen, denn er schrie jämmerlich.
    „Herr“, sagte Halef zu mir, „wie nun, wenn der Mübarek sich nicht allein hier befindet!“
    „Ich bin überzeugt, daß die andern wirklich fort sind, werde aber trotzdem die Maßregeln so treffen, als ob sie sich hier versteckt hätten.“
    „Und was hast du mit dem Kohlenhändler wegen des Pferdes zu besprechen?“
    „Ich will es ihm abkaufen, wenigstens einen Teil des Kadavers.“
    „Bist du des Teufels? Meinst du, daß wir von diesem Fleisch essen sollen?“
    „Nein, wir nicht, sondern ein anderer.“
    „Wer?“
    „Ein Gast von uns. Du wirst ihn hoffentlich noch heute kennenlernen.“ Halef schwieg.
    „Jetzt leuchtet einmal her und schaut euch den Kadaver des Pferdes an“, sagte ich zu den Gefährten. „Da werdet ihr sehen können, welche Kraft ein Bär in seinen Zähnen und Tatzen hat.“
    Das gewaltige Raubtier hatte dem Pferd die Hirnschale aufgebrochen. Die Schädelhöhle, welche den größten Leckerbissen des Bären, das Gehirn, enthält, war so rein geleert, als sei sie mit einem Schwamm ausgewischt worden. Dann hatte er den Leib angeschnitten. Es fehlten die Eingeweide, welche er verzehrt hatte. Das Backenfleisch war seinem Gelüste zur Beute geworden, und zuletzt wohl hatte er sich die Brust genommen. Dann war er gesättigt gewesen.
    Das Pferd – ein starkknochiges und wohlgenährtes Tier – hatte wohl Kräfte genug gehabt, eine schwere Last zu ziehen. Darum sagte Halef:
    „Aber wie kann ein Bär ein solches Pferd bewältigen? Es vermag doch zu fliehen oder sich mit den Hufen zu wehren!“
    „Das weiß der Bär so genau wie du und richtet seinen Angriff danach ein. Übrigens ist er ein alter Kerl, der gewiß ein gutes Quantum Erfahrung besitzt.“
    „Aber denke dir, das Pferd ist ein so schnelles Tier, während der Bär ungelenk und täppisch sein soll.“
    „Wer das denkt, der kennt ihn nicht. Ja, für gewöhnlich scheint es, als ob er die Behaglichkeit mehr liebe, als die Eile; aber ich sage dir, daß ich dabei war, als ein grauer Bär einen Reiter einholte, der sich alle Mühe gab, zu entkommen. Ist der Bär angeschossen, so entwickelt er eine Wut und eine Schnelligkeit, die ihn höchst gefährlich machen.“
    „Nun, wie mag es da diesem Bären gelungen sein, sich des Pferdes zu bemächtigen?“
    „Zunächst hat er die Klugheit gehabt, sich gegen den Wind anzuschleichen, um nicht durch die Nüstern bemerkt zu werden. In der Nähe seiner Beute angekommen, hat er einige weite schnelle Sprünge gemacht und dann das Pferd

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