17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
sie sagte:
„Dort ist das Bett. Und hier ist der Herd, auf welchem ich euch das Fleisch braten werde.“
Es herrschte ein wahrer Höllendunst in diesem Loch, brandig und nach allen möglichen Gestänken riechend. Von einem Schornstein war keine Rede. Der ätzende Rauch fand seinen Abzug durch die Fenster. Die Gefährten waren mit eingetreten. Daß sie grad wie ich dachten, sah ich ihnen deutlich an.
„Was für Fleisch meinst du?“ erkundigte ich mich.
„Pferdefleisch.“
„Woher habt ihr das?“
„Von unserem eigenen Pferd“, antwortete sie, indem sie mit beiden Händen nach den Augen griff.
„Habt ihr es geschlachtet?“
„Nein; es ist uns zerrissen worden.“
„Ah! Von wem?“
„Mein Mann sagt, daß es ein Bär gewesen sein müsse.“
„Und wann hat er das Pferd getötet?“
„In letzter Nacht.“
„Allah 'l Allah!“ rief Halef. „So frißt dieser Bär also nicht nur Himbeeren! Habt ihr ihn getötet?“
„Wie kannst du so fragen! Um einen Bären zu erlegen, müssen sehr viele Männer beisammen sein.“
„Willst du mir sagen, wie es zugegangen ist“, forderte ich sie auf.
„Das wissen wir freilich selbst nicht genau. Wir bedürfen des Pferdes zu unserem Handel. Es muß uns den Kohlenwagen ziehen und –“
„Ich habe doch keinen Wagen stehen sehen!“
„Wir können ihn gar nicht hier haben, denn es gibt keinen Weg, auf welchem wir ihn zu dem Haus bringen könnten. Er steht also stets bei dem Köhler. Das Pferd aber befindet sich hier, wenn wir daheim sind. Es bleibt des Nachts im Freien, um das Gras abweiden zu können. Heute früh nun, als wir aufstanden, sahen wir es nicht, und als wir es suchten, fanden wir seine Leiche drüben bei den Felsen liegen. Es war zerrissen worden, und als mein Mann die Spuren sah, sagte er, ein Bär sei es gewesen.“
„Wo befindet sich jetzt das übriggebliebene Fleisch?“
„Draußen im Schuppen.“
„Zeige es mir.“
„Herr, das darf ich nicht“, sagte sie erschrocken. „Mein Mann hat mir verboten, fremde Leute da hinein zu lassen.“
„Welchen Grund hat er dazu?“
„Das weiß ich nicht.“
„Wo ist er denn jetzt?“
„Er wollte nach dem Lager des Bären suchen.“
„Das ist aber höchst gefährlich! Ist denn dein Mann so ein mutiger Jäger?“
„Ja, das ist er.“
„Wann kommt er zurück?“
„Wohl bald.“
„So! Sind etwa heute Fremde hier bei euch gewesen?“
„Nein. Warum fragst du nach ihnen?“
„Weil dein Mann dir verboten hat, Fremde in den Schuppen zu lassen.“
„Es war niemand da, kein Mensch, heute nicht und gestern nicht. Wir leben so einsam, daß nur höchst selten einmal jemand zu uns kommt.“
In diesem Augenblick ertönte ein schriller, in die Ohren gellender Schrei. Die Frau sprach schnell weiter, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken; ich aber sagte:
„Horch! Wer hat da geschrien?“
„Ich habe nichts gehört.“
„Aber ich hörte es sehr deutlich.“
„So wird es ein Vogel gewesen sein.“
„Nein, das war ein Mensch. Ist wirklich niemand bei dir?“
„Ich bin ganz allein.“
Dabei aber winkte sie dem Konakdschy nach der Tür. Ich sah es, drehte mich um und ging hinaus.
„Herr!“ rief sie hinter mir. „Wohin willst du gehen?“
„In den Schuppen.“
„Das darfst du nicht!“
„Pah! Will doch sehen, wer geschrien hat.“
Da stellte sich der Konakdschy mir in den Weg und sagte:
„Bleibe da, Effendi! Du hast ja gehört, daß kein Fremder –“
Er sprach nicht weiter. Der Schrei war wieder erklungen, und zwar noch lauter und unheimlicher als vorher.
„Hörst du?“ antwortete ich ihm. „Das klingt ganz so, als ob jemand sich in Lebensgefahr befinde. Wir müssen nachsehen.“
„Aber du darfst doch nicht –“
„Schweig! Es soll mich niemand hindern, zu tun, was mir beliebt.“
Er machte noch einen Versuch, mich zurückzuhalten; die Frau tat dasselbe, aber ich ging dennoch. Meine drei Begleiter folgten mir. Hinterher kam der Konakdschy mit der Frau. Beide wisperten angelegentlich miteinander. Soviel ich sehen konnte, machte er ein sehr betroffenes Gesicht.
Ich riegelte den einen Schuppen auf: – er enthielt nichts, als allerlei Gerümpel. Als wir dann auf den andern zuschritten, ertönte wieder der Schrei, und zwar aus diesem zweiten Schuppen. Das klang wirklich ganz entsetzlich. Nun öffneten wir und traten ein. Es war fast dunkel im Innern.
„Ist jemand da?“ fragte ich.
„Oh, Allah, Allah!“ antwortete eine Stimme, welche ich gleich erkannte.
Weitere Kostenlose Bücher