Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
tötete?“
    „Jetzt kommt er noch nicht, und Rih ist kein Köhlerpferd. Ich glaube sogar, ich könnte es dem Rappen überlassen, ganz allein mit dem Bären fertigzuwerden. Ein solches Rassetier verhält sich ganz anders als ein gewöhnlicher Gaul. Wir können unsere Tiere getrost noch weiden lassen. Kommt der Bär wirklich, so kommt er frühestens zwei Stunden vor Mitternacht. Um aber nichts zu versäumen, werden wir draußen ein Feuer anzünden, an welchem wir uns niederlassen. Da haben wir die Pferde vor Augen und können ihnen mit unseren Gewehren sofort zu Hilfe kommen. Übrigens wird das Feuer weithin leuchten und den Bären abhalten, auch bei der Lockspeise seinen Besuch zu früh zu machen. Jetzt handelt es sich um das Pferdefleisch.“
    Der Kohlenhändler ging sehr gern auf meine Absicht ein. Für ihn war die Hauptsache, daß das Raubtier getötet wurde. Er löste diejenigen Teile des Pferdes, auf welche er es abgesehen hatte, von den Knochen. Dann blieb noch immer genug für den Bären übrig. Für diesen Rest verlangte er dreißig Piaster, also nicht ganz sechs Mark, welche ich ihm gern zahlte.
    Draußen an der Giebelmauer des Hauses lag eine ansehnliche Menge von Brennholz aufgeschichtet. Ich kaufte es dem Wirt für zehn Piaster ab und ließ unweit der Haustür, welche nach der Waldzunge hin lag, ein großes Feuer anmachen, das bis zu unserem Aufbruch zur Jagd unterhalten werden sollte. Es leuchtete weit genug, so daß wir unsere in der Nähe des Hauses weidenden Pferde sehen und bewachen konnten. Osco blieb da zurück, während wir andern uns nun zunächst nach der Wohnstube begaben. Ich wollte den Mübarek sehen.
    Wir hatten, während wir draußen beschäftigt waren, sein ununterbrochenes Klagen gehört. Er bot einen schrecklichen Anblick. Seine verzerrten Züge, seine blutunterlaufenen Augen, der Gischt, welcher ihm vor dem Mund stand, die Flüche und Verwünschungen, welche er ausstieß, und der von ihm ausströmende üble Geruch wirkten so abstoßend, daß es mich große Überwindung kostete, vor ihm niederzukauern, um seine Wunde zu untersuchen.
    Der Verband war ihm nur sehr nachlässig und von ungeschickten Händen wieder angelegt worden. Als ich denselben entfernen wollte und infolgedessen seinen Arm berührte, brüllte er vor Schmerzen wie ein wildes Tier und bäumte sich gegen mich auf. Er hielt mich für den Scheïtan, welcher ihn zerreißen wolle, wehrte mich mit dem unverletzten Arm von sich ab und bat mich um Gnade und um die Erlaubnis, zur Erde zurückkehren zu können. Er versprach mir als Lösegeld Tausende von Menschen, welche er ermorden wolle, um mir ihre Seelen zur Hölle zu senden.
    Das Fieber gab ihm solche augenblickliche Kraft, daß ich Gewalt anwenden mußte. Es gehörten drei Personen dazu, um ihn zu halten, damit ich ihm die Lappen von den Wunden wickeln konnte. Da sah ich denn sofort, daß Rettung gar nicht möglich sei. Selbst eine Amputation des verletzten Gliedes wäre hier zu spät gekommen. Ich legte auch seine Schulter bloß, indem ich den Kaftan aufschnitt. Der Brand, die zersetzende Fäulnis, war bereits eingetreten, und die ekelhafte Jauche verbreitete einen Verwesungsgeruch, welcher entsetzlich war.
    Hier konnte man nichts tun, als ihm Wasser geben, nach welchem er schrie. Das überließen wir der Frau. Es war wie ein Wunder, daß dieser Mensch den Ritt bis hierher hatte aushalten können. Wir standen schaudernd bei ihm und gedachten nicht mehr seiner Feindseligkeit, sondern nur des grausigen Endes, welches er sich selbst bereitet hatte. Der Konakdschy sagte:
    „Herr, wäre es nicht besser, wir töteten ihn? Es wäre die größte Wohltat, welche wir ihm erweisen könnten.“
    „Das meine ich auch“, antwortete ich; „aber wir haben kein Recht dazu. Noch hat er kein Wort der Reue gesprochen; er will vielmehr den Teufel durch die Verheißung grausiger Mordtaten bestechen. Daraus können wir entnehmen, welche schwarze Seele in diesem lebendig verwesenden Körper wohnt. Vielleicht gibt ihm Gott noch einmal das Bewußtsein zurück und damit die letzte Gelegenheit, seine Sünden zu bekennen. Übrigens sind seine Qualen nicht unverdient, und – was ihr nicht übersehen dürft – er liegt vor euch als abschreckendes, warnendes Beispiel, dessen deutliche und ergreifende Sprache zwar an uns alle, ganz besonders aber an euch gerichtet ist, an dich, Konakdschy, an Junak und auch an Guszka, dessen Frau.“
    „An uns?“ fragte der Erstgenannte verlegen. „Weshalb

Weitere Kostenlose Bücher