17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Wirt. Übrigens sage mir einmal, wofür ich dich bezahlen soll.“
„Wir haben euch doch beherbergt!“
„Wir haben im Freien geschlafen. Dafür zahle ich nichts. Also Konakdschy, wir brechen auf.“
„Ich muß erst essen“, erklärte er.
„So iß, aber schnell.“
Er machte sich ein Feuer und briet sich ein Stück Bärenfleisch, welches er halbgar verschlang. Indessen sattelten wir. Der Bärenschinken wurde mit den drei übriggebliebenen Tatzen in eine Decke gewickelt, und Osco nahm diesen Pack hinter sich auf das Pferd. Nun war der Führer fertig geworden, und wir brachen auf.
Die Frau wollte uns nicht ohne Bezahlung ziehen lassen. Sie zeterte, daß wir sie betrügen wollten. Aber Halef zog die Peitsche und knallte ihr dieselbe so nahe an ihrem Gesicht vorbei, daß sie heulend in das Haus sprang und die Tür hinter sich verriegelte. Durch das Fenster aber sandte sie uns eine Strafpredigt nach, und noch lange hörten wir ihre gellende Stimme hinter uns erschallen.
Es kam uns nicht auf einige Piaster an; aber diese Leute trachteten uns nach dem Leben. Es wäre eine Verrücktheit gewesen, das, was wir hier genossen hatten, nämlich gar nichts, auch noch zu bezahlen – – –
DRITTES KAPITEL
In der Teufelsschlucht
Ein wunderbar schöner Herbstmorgen war es, frisch und duftig, als wir den Schauplatz unseres nächtlichen Abenteuers, an welchem der alte Mübarek ein so schreckliches Ende gefunden hatte, verließen. Wir ritten zunächst zwischen sanften Höhen dahin, daß man denken konnte, man befände sich im Thüringer Wald. Aber hinter diesen Bergen ragten schroffe Felsenmassen empor, finster wie drohende Giganten, und nach Verlauf einer Stunde war es ganz so, als ob wir uns durch die Schluchten der Pyrenäen bewegten.
Einen freien Ausblick gab es gar nicht. Der dunkle Wald hatte uns umfangen; es war fast als Urwald zu betrachten, aber was für ein Urwald!
Es gibt mehrere Arten des Urwaldes. Der unberührte Wald der Tropen, der dichte, nach Moder duftende Wald Litauens, der hehre, lichte Urwald des amerikanischen Westens, die natürlichen, gradlinigen und wie vom Gärtner angelegten Parks von Texas, sie sind alle sehr verschieden voneinander. Dieser Wald des Schar Dagh war mit keinem der genannten Urwälder zu vergleichen. Man dachte unwillkürlich an untergegangene Kulturen, über welche nun der Tod seine Waldesschatten wirft.
Nach vielleicht drei Stunden senkte sich der Boden steil abwärts, und wir hatten ein breites Quertal zu durchschneiden, dessen anderer Rand fast senkrecht emporstieg.
Das war eine wahre Felsenmauer, scheinbar ununterbrochen sich stundenweit von Nord nach Süd ziehend. In Rissen und auf Vorsprüngen hatten gewaltige Fichten und Tannen Raum für ihre Wurzeln gefunden, und ganz hoch oben auf der Zinne dieser Mauer lag der dunkle Forst wie eine nur handbreit hohe schwarze Leiste.
Die-Sohle dieses Tals aber war mit dem herrlichsten Gras bewachsen, so daß ich vorschlug, wenigstens eine Viertelstunde hier zu rasten, damit die Pferde in diesem Grün ein Weilchen schwelgen könnten.
Unser Führer erklärte sich schnell einverstanden und sprang sogleich vom Pferd. Durch diesen Aufenthalt mußte sich ja der Vorsprung, welchen der Kohlenhändler haben wollte, vergrößern. Der gute Mann dachte nicht, daß ich mehr noch um dieses Junak als um des Grasens willen hier aus dem Sattel stieg.
Es gab da einen ziemlich bedeutenden Bach. Nur einzelnes dünnes Gesträuch stand an seinem Ufer. Gleich als wir unter den Bäumen des diesseitigen Talrandes hervorgekommen waren und nun die freie Talsohle vor uns hatten, sah ich eine Linie, welche grad von dem Punkt, an welchem wir uns befanden, quer durch das Gras nach dem Ufer führte.
Diese Linie war jedenfalls die Fährte des Kohlenhändlers. Er hatte uns also doch für so dumm gehalten, daß diese Spur nicht unsern Verdacht zu erregen vermöchte.
Das Wasser stand von gestern her noch ziemlich hoch in dem Bett, welches eine muldenförmige Gestalt haben mußte, da die Ufer nicht tief zu sein, sondern flach zu verlaufen schienen. Der Rasen war weich, und darum vermutete ich, wenigstens dort am Wasser einen deutlichen Fußabdruck zu finden.
Der Konakdschy beachtete diese Fährte gar nicht. Er setzte sich nieder, zog seinen alten, weithin stinkenden Tschibuk hervor, stopfte ihn und setzte den Tabak in Brand. Aber was für Tabak! Dieses Kraut war nichts weniger als das schnell verduftende Kraut von Latakia. Dem Geruch nach schien es aus
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